CanG: Offener Brief an das Parlament
Dr. Bernd Werse und Kollegen an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages
Deutschlands führende Professoren und Experten für Drogen und Sucht sprechen sich in einem offenen Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages für die Abstimmung des Cannabis-Gesetzes aus, das diese Woche verabschiedet werden soll.
Hier das Schreiben im Originalwortlaut (ohne Fußnoten). Der Brief mitsamt allen Unterzeichnern ist als PDF verfügbar.
Aus Verantwortung für die Menschen – CanG jetzt unterstützen
Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages,
als Expertinnen, Experten und Fachverbände, die unmittelbar mit dem Thema Cannabis befasst sind, bitten wir Sie darum, diese Woche im Parlament für das Cannabisgesetz zu stimmen, um den wichtigen Schritt in Richtung Gesundheitsschutz, Prävention und sozialer Gerechtigkeit zu machen.
Mindestens vier Millionen Menschen in Deutschland konsumieren gelegentlich oder regelmäßig Cannabis. Sie alle sind permanent von Strafverfolgung bedroht. In den letzten Jahren waren es jeweils rund 175.000 Personen, gegen die wegen Cannabisbesitz zum Eigengebrauch ein Verfahren eröffnet wurde. Sie alle werden zukünftig nicht mehr per Gesetz stigmatisiert, wenn das CanG in Kraft tritt.
Zentrale Gremien der Vereinten Nationen (INCB, UNGASS, CEB) bekräftigen seit Jahren die Möglichkeit der Staaten, Drogengebrauch/-besitz im Rahmen der Verträge zu entkriminalisieren. Zuletzt hat der UN-Hochkommissar für Menschenrechte die Notwendigkeit einer grundlegenden Umkehr weg von Strafen ausgesprochen und empfiehlt überdies die Regulierung des Handels.
Diese neue Ausrichtung internationaler Organisationen erklärt sich nicht nur aus der steigenden Evidenz zu den negativen Auswirkungen und damit dem Scheitern des Drogenverbots, sondern auch durch zunehmende praktische Erfahrungen einiger Mitgliedsländer.
Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass eine moderate Cannabis-Neuregulierung zu mehr Gesundheit und verbesserten Hilfen führt. Erfahrungen aus anderen Ländern deuten darauf hin, dass eine ausgewogene Teil-Legalisierung (wie im CanG vorgesehen) keine Erhöhung des Konsums zur Folge haben wird, insbesondere nicht in besonders zu schützenden Gruppen wie Jugendlichen. Zudem zeigen aktuelle Studien, dass Cannabis-bezogene Gesundheitsschäden in Ländern mit Legalisierung geringer sind als in Ländern mit Cannabisverbot.
Auch die teilweise geäußerten Befürchtungen, dass das CanG zu einer Stärkung des profitorientierten Schwarzmarktes führen könnte, sind nicht haltbar und ohne Bezug zur kriminologischen Drogenmarktforschung. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass es aufgrund privaten Eigenanbaus und Anbauvereinigungen zu einer nennenswerten Reduktion kommen wird.
Durch Strafandrohung ist niemandem geholfen – sie kriminalisiert Minderjährige ebenso wie Erwachsene. Die aktuelle Stigmatisierung verschärft oftmals noch psychische Problematiken und hält davon ab, sich Hilfe zu suchen. Das CanG wird die Arbeit der Drogenhilfe stärken sowie Jugendliche und Eltern künftig ermutigen, professionelle Unterstützung früher anzunehmen.
Als Expertinnen und Experten für Drogen- und Suchtpolitik und professionell mit Drogenkonsumierenden Arbeitende, appellieren wir an Sie, das jahrzehntelange Unrecht, Menschen für den Umgang mit einer Substanz zu kriminalisieren, zu beenden.
Wir stehen Ihnen weiterhin zur Seite, um den Prozess zu einer zielführenden, zeitgemäßen Drogenpolitik zu unterstützen, etwa im Hinblick auf die wichtige, bevorstehende Säule 2 des CanG. Zunächst ist es aber essenziell, die lange vorbereitete Säule 1 endlich zu verabschieden. Wir möchten Sie daher bitten, für das Gesetz zu stimmen.