Cannabispatient wegen Joints vor Gericht

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Cannabispatient wegen Joints vor Gericht

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Ein Spielplatz irgendwo in Ulm am 20. Mai 2020: Ein junger Mann namens Lenn Reich wird von Polizisten kontrolliert. Als die Beamten den 23-jährigen fragen, ob er Betäubungsmittel bei sich führe, greift er in seine Tasche, zückt einen Joint und erklärt, dass er Cannabispatient ist. An diesem Punkt hört der Spaß abrupt auf. Die Polizei nimmt dem Patienten – trotz aller nötigen Papiere für eine Genehmigung, die er an diesem Tag bei sich führte – die Cannabiszigarette ab und erfasst die Daten von Lenn Reich. Zwei Wochen später flattert ihm eine Strafanzeige in den Briefkasten.

Die Polizei berief sich bei ihren Maßnahmen stets darauf, dass die Konsumform des Jointrauchens in Deutschland illegal sei. Dies ist allerdings eine falsche Behauptung. Cannabispatienten dürfen sich in Deutschland aussuchen, in welcher Form sie ihre Medizin zu sich nehmen. Der Strafbericht sah für Lenn Reich eine Strafe von 1.000 Euro vor – zu zahlen in Tagessätzen von 25 Euro. Das ließ sich der junge Auszubildende nicht gefallen und schaltete einen Anwalt ein. Wegen des Strafberichts musste Reich sich also sogar vor Gericht rechtfertigen.

Sein Widerstand und zwei Tage Gerichtsverhandlung brachten ihm dann letztlich den Freispruch. Die Urteilsbegründung, die dem Beschluss zugrunde liegt, ist allerdings eine einzige Blamage für das Amtsgericht Ulm:

«Am 20.5.2020 führte der Angeklagte im Bereich des Spielplatzes […] wissentlich und willentlich einen Joint bestehend aus 0,83 Gramm Tabak-Marihuana-Gemisch mit sich. Wie er wusste, besaß der Angeklagte nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.

Die Tat konnte dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden. Der Angeklagte war folglich aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.»

Was ist hiermit gemeint? Inwiefern konnte dem Angeklagten die Tat nicht nachgewiesen werden, wenn er den Joint doch mit sich führte? Und wieso steht in diesem Urteil eine Falschbehauptung, nämlich dass Lenn Reich keine Genehmigung zum Besitz von Cannabis vorweisen konnte?

Die naheliegendste Antwort rund um die Mysterien dieses leicht dümmlich wirkenden Verdikts: Dem Amtsgericht sowie der Polizeistelle in Ulm ist ihr kleiner justizieller Fauxpas etwas peinlich. Das Jugendmagazin Vice startete nach eigenen Angaben seit Juli 2020 insgesamt neun Kontaktversuche, doch das Gericht bleibt beharrlich und ließ der Vice-Redaktion bis heute keine Antwort zukommen.

Fälle wie diese sind in Deutschland nicht unüblich. Immer wieder werden einzelne Cannabispatienten für Ordnungswidrigkeiten bzw. Straftaten zur Rechenschaft gezogen, die sie gar nicht begangen haben. Abgesehen davon, dass eine Hanfprohibition nicht nur Medizinalkonsumenten, sondern auch die gesamte Gesellschaft schädigt, scheint es bei vielen Polizisten und Richtern in der Bundesrepublik offensichtlich weiterhin großen Aufholbedarf in Sachen Cannabis zu geben. Geschichten über von Staat und Justiz schikanierte Patienten, die Hanf brauchen, um ihre Gesundheit zu erhalten, beweisen das immer wieder.

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