Experten fordern Verbesserungen bei Cannabis als Medizin

Experten fordern Verbesserungen bei Cannabis als Medizin

Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin informiert

Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin informiert in einer aktuellen Pressemitteilung:

Experten aus Medizin und Suchtforschung sowie Mitglieder des Deutschen Bundestags von FDP, SPD, Grünen und Linken fordern deutliche Erleichterungen bei der Behandlung mit Cannabis und Cannabinoiden in Deutschland. In einem gemeinsamen Positionspapier stellen sie fest: „Nach wie vor haben zahlreiche Patient*innen keinen legalen Zugang zu einer Behandlung mit Cannabis-basierten Medikamenten, selbst wenn hierfür ärztlicherseits eine Indikation gestellt wurde. Mehr noch: diese Patient*innen werden auch heute noch kriminalisiert, wenn sie die einzige, ihnen offen stehende Alternative einer Selbsttherapie mit Straßencannabis wählen.“

Der Text analysiert die Stärken und Schwächen des bisherigen Gesetzes zu Cannabis als Medizin aus dem Jahr 2017 und stellt fest: „Mehr als 4 Jahre nach Inkrafttreten des ‘Cannabis-als-Medizin-Gesetzes’ fällt eine Bilanz gemischt aus. Neben den unstrittigen, zahlreichen positiven Entwicklungen sind verschiedene vom Gesetzgeber 2017 beabsichtigte Veränderungen nach wie vor nicht eingetreten.“

Problembereiche umfassen unter anderen hohe Kosten für Medizinalcannabisblüten, Regressdrohungen gegen Ärztinnen und Ärzte, sodass viele vor einer Verordnung zulasten der gesetzlichen Krankenkassen zurückschrecken, hohe Ablehnungsquoten bei einem Antrag auf Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen sowie kaum öffentlich geförderte Forschung, obwohl die limitierte klinische Forschungslage bei vielen Indikationen allgemein bemängelt wird.

„All diese Missstände führen dazu, dass in Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Ländern sowohl die absolute Zahl derjenigen Patient*innen, die legalen Zugang zu Cannabis-basierten Medikamenten haben, gering ist, als auch die Entwicklung in den letzten Jahren deutlich langsamer verlaufen ist.“

Konkrete Forderungen
– Die Abgabepreise für Cannabisblüten in Apotheken müssen deutlich gesenkt werden. Als Vorbild könnte der in Schleswig-Holstein gewählte Weg dienen. Von der 2019 getroffenen gesetzlichen Regelung zur Kostensenkung profitieren aktuell einseitig die Krankenkassen, nicht aber die selbstzahlenden Patient*innen.

– Der Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen muss abgeschafft werden, damit die Therapiehoheit in den Händen der behandelnden Ärzt*innen bleibt und die Behandlungsindikation nicht länger von Sozialfachangestellten der Krankenkassen oder Gutachter*innen des MDK gestellt wird.

– Regressdrohungen gegenüber Ärzt*innen müssen beendet werden. Die Kassenärztliche Vereinigung in Baden-Württemberg hat hierfür einen Praxis tauglichen Weg aufgezeigt.

– Pharmaindustrie unabhängige Fortbildungen für Ärzt*innen zum Thema Cannabis als Medizin müssen verstärkt angeboten werden. Das Thema muss darüber hinaus fester Bestandteil der Lehre im Medizinstudium werden.

– Sucht- und andere psychiatrische Erkrankungen dürfen nicht länger pauschal als Kontraindikationen für eine Cannabis-basierte Therapie eingestuft werden, die praktisch ausnahmslos zur Ablehnung des Kostenübernahmeantrags führen.

– Patient*innen mit einer ärztlich bescheinigten Indikation für eine Cannabis-basierte Therapie dürfen nicht länger strafrechtlich verfolgt werden.

– Bei Bestehen einer ärztlich indizierten Cannabis-basierten Therapie müssen Patient*innen im Hinblick auf eine Teilnahme am Straßenverkehr genauso behandelt werden, wie Patient*innen, die andere Medikamente einnehmen.

– Die klinische Forschung zur Wirksamkeit Cannabis-basierter Medikamente ist von allgemeinem Interesse und muss daher durch den Bund gefördert und finanziert werden. Die Förderung durch die öffentliche Hand ist auch deshalb erforderlich, weil klinische Forschung pharmazeutischer Unternehmen immer auf ein konkretes Produkt abzielt, eine Einschränkung, die aus Sicht von Ärzt*innen und Patient*innen nicht sinnvoll ist.“

Autor*innen des Positionspapiers
– Prof. Dr. Heino Stöver, Professor für sozialwissenschaftliche Suchtforschung, Frankfurt University of Applied Sciences

– Dr. Ingo Ilja Michels, International Scientific Coordinator, SOLID Projekt, Frankfurt University of Applied Sciences

– Prof. Dr. Kirsten R. Müller-Vahl, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover; Vorstandsvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V.

– Dr. Franjo Grotenhermen, Zentrum für Cannabismedizin, Steinheim; Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V.

Unterstützer*innen (in alphabetischer Reihenfolge)
– Burkhard Blienert, Mitglied des Deutschen Bundestags (2013-2017), ehemaliges Mitglied des Ausschusses für Gesundheit, Sprecher für Drogen/Sucht, SPD-Fraktion

– Dr. Knud Gastmeier, Palliativmediziner und Schmerztherapeut, Potsdam

– Dirk Heidenblut, Mitglied des Deutschen Bundestags, Mitglied des Ausschusses für Gesundheit, Sprecher für Drogen/Sucht, SPD-Fraktion

– Dr. Ellis Huber, ehemaliger Präsident der Ärztekammer Berlin

– Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Mitglied des Deutschen Bundestags, Sprecherin für Drogenpolitik, Fraktion Bündnis90/Die Grünen

– Prof. Dr. Matthias Karst, Leiter Schmerzambulanz, Medizinische Hochschule Hannover

– Niema Movassat, Mitglied des Deutschen Bundestags, Sprecher für Drogenpolitik, Fraktion Die Linke

– Dr. Wieland Schinnenburg, Mitglied des Deutschen Bundestags, Sprecher für Drogenpolitik, FDP- Fraktion

Der vollständige Text des Positionspapiers erscheint in Kürze unter anderem in der Zeitschrift Suchtmedizin und auf der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM).

Ansprechpartner
Prof. Dr. Heino Stöver, Frankfurt University of Applied Sciences: hstoever@fb4.fra-uas.de

 

Quelle: Pressemitteilung ACM, 1. Mai 2021