1967: Was war der Summer of Love?
USA: Die psychedelische Bewegung entsteht
Text: Wayne Glausser
Summer of Love. Mitte 1967 hatte sich in ganz Amerika die Nachricht von San Franciscos Gegenkultur herumgesprochen, die auf psychedelische Drogen und Musik, Free Love, politischen Dissens und utopische soziale Experimente ausgerichtet war.
Im Januar 1966 berichteten die nationalen Medien zunächst über das Trips-Festival, einer größeren Version der Acid-Tests. Ein Jahr später lockte ein noch größeres Event, das Human Be-In, Zehntausende zu einer Feier des psychedelischen Lebensstils an.
In der Zeit zwischen diesen beiden historischen Momenten war die Beunruhigung über LSD und die damit verbundene Kultur in der amerikanischen Öffentlichkeit so sehr gestiegen, dass die Droge verboten wurde.
Eine beträchtliche Anzahl von Jugendlichen reagierte jedoch auf das Verbot mit Enthusiasmus und nicht mit Beunruhigung. Der Hitsong „San Francisco” lud sie ein, mit Blumen in den Haaren in die Stadt zu kommen.
Als 1967 die Sommerferien begannen, machten sich viele Teenager und Jugendliche aus dem ganzen Land auf den Weg nach Height-Ashbury, um an den psychedelischen Happenings, vor denen sie gewarnt worden waren, teilzuhaben.
Die Brüder Thelin, Besitzer des bekannten Psychedelic Shops in der Haight-Straße, gaben diesem Moment einen Namen, der haften blieb: the Summer of Love.
Der utopische Name erwies sich schon bald als irreführend. Der Haight-Ashbury-Distrikt konnte den Zustrom von 100 000 Jugendlichen, von denen die meisten kaum über finanzielle Mittel verfügten, nicht bewältigen. Das zuvor gut funktionierende Netzwerk an sozialen Diensten – insbesondere die Verteilung von kostenlosem Essen, kostenloser Kleidung durch die Diggers und die kostenlose medizinische Versorgung (siehe Diggers) – war überfordert.
Viele junge Leute lebten unter unhygienischen Verhältnissen auf der Straße; Geschlechtskrankheiten breiteten sich aus. LSD und Marihuana waren bei den neuen Bewohnern weiterhin beliebt, aber auch andere, suchterzeugende Drogen wurden zunehmend konsumiert, vor allem Speed. Die Zahl der Verbrechen nahm erheblich zu. Laut Bob Weir von den Grateful Dead unterschied sich diese neue Szene drastisch von jener der frühen Haight-Ashbury-Jahre:
„Es wurden plötzlich mehr Einbrüche verübt und so ein Zeug. Es gab viele Leute auf der Straße. Wogegen vorher jeder einen Platz hatte, wohin er gehen konnte, jeder hatte etwas zu tun. Wir waren in einer Band. Andere Jungs betrieben den Coffee-Shop oder die Kleiderläden oder die Kifferläden. Die Diggers machten ihr Ding. Die Dichter schrieben und die Poster-Künstler machten ihre Poster … Aber so um den Juni herum wurde die Kreativität der Szene gehemmt, einfach, weil man wegen der Speed-Freaks auf der Straße die Schotten dicht machen, die Türen und Fenster verrammeln musste. Ich hatte in der Ashbury 710 das Vorderzimmer, und Leute kamen relativ regelmäßig durch das Vorderfenster. Sie waren auch dementsprechend angezogen – sie waren wie Hippies angezogen. Aber ich glaube nicht, dass sie es wirklich verstanden haben‟ [SFGate, 20. Mai 2007].
Aufgrund dieser widrigen Umstände zogen viele der ursprünglichen Hippies aus dem Haight-Ashbury-Distrikt weg, Medien und Touristen jedoch gab es im Überfluss. Bei Stadtrundfahrten fuhren die Busse durch den Haight-Ashbury-Distrikt, damit sich die Besucher die exotische Subkultur ansehen konnten. Hippies fingen an, Spiegel vor die Fenster der Busse zu halten, damit die Touristen sich selbst fotografierten: Wenn du dich für Freaks interessierst, legten sie nahe, dann sieh dich einfach selbst im Spiegel an.
Im Oktober hatten die Diggers dann genug davon. Sie organisierten ein Scheinbegräbnis, um ihre Abscheu und Enttäuschung kundzutun. Sie nannten das Event „The Death of Hippie” (Der Tod des Hippies); die Diggers trugen einen Sarg mit der Aufschrift „Hippie – Son of Media” (Hippie – Sohn der Medien) durch die Straßen.
Die Hippie-Gegenkultur florierte danach noch zwei Jahre im ganzen Land und erreichte mit dem Woodstock-Festival ihren Höhepunkt; aber die psychedelische Gemeinschaft von Haight-Ashbury, wo alles angefangen hatte, neigte sich just in dem Augenblick dem Ende zu, als sie im Summer of Love ihren Höhepunkt erreicht zu haben schien.
Dieser Text ist dem Buch LSD-Kulturgeschichte von A bis Z entnommen (Nachtschatten Verlag, 2018).