Bundesgerichtshof: Hanftee nicht per se verboten

Bundesgerichtshof: Hanftee nicht per se verboten

Dennoch neue Razzia bei Hanf-Zeit

Hanftee und CBD-Blüten sind nicht grundsätzlich illegal: Der Bundesgerichtshof in Leipzig urteilte am Mittwoch, 24. März 2021, über die Strafbarkeit des Verkaufs von Hanftee. Den Betreibern des Unternehmens Hanfbar aus Braunschweig wurden im Rahmen eines Strafverfahrens vor dem Landgericht Braunschweig mehrmonatige Freiheitsstrafen (ausgesetzt zur Bewährung) auferlegt, weil sie in ihren Ladenlokalen Hanftee verkauft hatten – Urteil vom 28. Januar 2020, Az.: 4 KLs 804 Js 6499/18 (5/19). Aufgusspräparate aus Faserhanf und ähnliche Artikel werden heutzutage jedoch in jedem normalen Lebensmittelgeschäft angeboten.

Gegen das Urteil des Landgerichts gingen die Beschuldigten in Revision, am 24. März sprach der BGH sein Urteil. Demnach ist der Verkauf von Faserhanfprodukten an Endabnehmer nicht per se eine strafbare Handlung nach dem Betäubungsmittelgesetz. Es muss überdies nämlich auch der Vorsatz nachgewiesen werden, entsprechende Waren zu illegalen Rauschzwecken zu veräußern. Dieser Vorsatz wurde vom BGH nicht gesehen, der daher das Urteil des Landgerichts aufhob (Az.: 6 StR 240/20) und den Fall an dieses zurückverwies.

Das Urteil vom 24. März 2021 (Originalwortlaut)

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln jeweils zu mehrmonatigen Freiheitsstrafen verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

Nach den Feststellungen betrieben die Angeklagten in Braunschweig Ladenlokale, in denen sie – auch noch nach polizeilichen Durchsuchungen und Sicherstellungen – aus EU-zertifiziertem Nutzhanf gewonnene Cannabispflanzenteile mit geringen THC-Gehalten (0,08 % bis 0,33 %) als Hanftee an Endkonsumenten verkauften. Sachverständig beraten hat das Landgericht festgestellt, dass dieser zwar nicht beim Aufguss mit Wasser, jedenfalls aber nach Verarbeitung zu Gebäck einen Rausch hervorrufen kann.

Der 6. Strafsenat hat das Urteil auf die Revision der Angeklagten aufgehoben, die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen jedoch aufrechterhalten. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, der von den Angeklagten verkaufte Hanftee sei ein Betäubungsmittel. Diese Betäubungsmitteleigenschaft misst sich an Position “Cannabis” in der Anlage I zu § 1 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz und der dort vorgesehenen Ausnahme zu Buchstabe b. Entgegen der Auffassung des Landgerichts verbietet diese Ausnahmevorschrift zwar nicht grundsätzlich den Verkauf an Endabnehmer zu Konsumzwecken. Jedoch muss ein Missbrauch des Cannabisprodukts zur Berauschung ausgeschlossen sein. Die Feststellung, dass dies bei dem von den Angeklagten vertriebenen Hanftee nicht der Fall war, wurde vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffen. Allerdings hat das Landgericht nicht geprüft, ob der Vorsatz der Angeklagten auch die Möglichkeit eines Missbrauchs der vertriebenen Pflanzenteile zu Rauschzwecken umfasste.

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft führten unter anderem zur Aufhebung von Strafaussprüchen. Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten seien einem schuldmindernden (vermeidbaren) Verbotsirrtum erlegen, beruht nicht für alle Taten auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Denn insbesondere nach den polizeilichen Durchsuchungen und Sicherstellungen lag für die Angeklagten die Möglichkeit einer Strafbarkeit ihres Handelns nahe.

Quelle: https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/2021066.html

Der Jurist und Anwalt Kai-Friedrich Niermann äußerte sich nach der Urteilsverkündung wiefolgt zu dem Fall: “Solange der Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen ist und Händler keinen Vorsatz im Hinblick auf einen möglichen Missbrauch haben, sind Abgabe und Besitz von jeglichen unverarbeiteten Nutzhanf-Produkten an Endkonsumenten nicht vom Betäubungsmittelgesetz erfasst” (Quelle).

Interessant vor diesem Hintergrund ist die Tatsache, dass am Tag der Urteilsverkündung des BGH die Polizei beim Unternehmen Hanf-Zeit in Steinheim einfiel, um den gesamten (!) durchweg legalen Laden- und Lagerbestand der Firmen Hanf-Zeit und Endoxo zu konfiszieren. Dies ist dem Amtsgericht Paderborn zu verdanken. Endoxo-Mitinhaber, Nachtschatten- und Lucys-Autor sowie Cannabismedizin-Experte Franjo Grotenhermen bemerkt dazu auf seiner Facebookseite:

“Auf Veranlassung der Paderborner Staatsanwaltschaft räumt die Polizei gegenwärtig alle Waren von Hanf-Zeit und Endoxo auf 2 LKWs. Alle Lebensmittel aus Hanf sind danach Betäubungsmittel: Hanfnudeln, Lollis, Öle, etc.” (Quelle).

Und weiter:

“Gestern gab es auch ein höchstrichterliches Urteil, das den Aktivitäten der Staatsanwaltschaft Paderborn im Falle Hanf-Zeit und Endoxo einen Riegel vorgeschoben hätte. (…) Daher hat nach höchstrichterlicher Meinung nicht Stefan Nölker-Wunderwald das Recht gebrochen, sondern der Staatsanwalt. Es bleibt das Geheimnis des Staatsanwalts, warum er mit der Beschlagnahmung nicht einen Tag warten konnte, bevor der Bundesgerichtshof sein Urteil gefällt hatte” (ebd.).