Giftpflanzen, Rauschpilze und magische Zaubergewächse als homöopathische Arzneimittel
Therapeutische Anwendung psychoaktiver Gewächse
Text Kevin Johann
Da bekanntlich die Dosis das Gift bestimmt und sämtliche Wirkstoffe in homöopathischen Heilmitteln lediglich als molekulare Information vorliegen, können in der Homöopathie auch solche Substanzen genutzt werden, von deren Verwendung normalerweise abgeraten oder gewarnt wird. So zum Beispiel die Tollkirsche (Belladonna) – ein halluzinogenes Nachtschattengewächs, das entsprechend dosiert einen starken Rausch inklusive einer äußerst unangenehmen Vergiftungssymptomatik induzieren kann, in hoher Verdünnung jedoch zu den beliebtesten Homöopathika gehört. Weitere Organismen, die als homöopathische Zubereitung absolut unbedenklich sind und als solche eine ganze Reihe unterschiedlicher Beschwerdebilder zu lindern vermögen, sind zum Beispiel der Eisenhut, der weltweit zu den giftigsten Vertretern im ganzen Pflanzenreich gehört, ebenso der entheogene Zeremonialkaktus Peyote, der glückbringende Fliegenpilz sowie die von zahlreichen magischen Legenden umrankte Eibe.
Similia similibus curentur – „Ähnliches möge mit Ähnlichem geheilt werden“
Das sogenannte Ähnlichkeitsprinzip gilt in der Homöopathie als grundlegend. Es besagt, dass ein Patient am sinnvollsten mit jenem Arzneimittel behandelt werden soll, das bei einem gesunden Menschen exakt solche (oder zumindest sehr ähnliche) Symptome hervorruft, an denen der Erkrankte leidet.
Dazu ein kurzes Beispiel: Bei einem gesunden Menschen führt übermäßiger Kaffeegenuss bekanntlich zu Unruhe, Nervosität und Schlafstörungen. Handelt es sich hierbei allerdings um nicht um die Konsequenz des Konsumverhaltens, sondern um pathologische Beschwerden, dann kann das homöopathische Mittel Coffea (Kaffee) dabei helfen, der besagten Symptomatik erfolgreich entgegenzuwirken.
Homöopathische Potenzen – Was ist das?
Es ist ein Thema, das immer wieder zu kleinen Verwirrungen führt. Schließlich bedeutet Potenzieren nichts anderes als Verstärken, und in der Homöopathie werden Arzneimittel dadurch potenziert, indem sie verdünnt werden, entweder mit Alkohol-Wasser-Mischungen oder durch die Zuhilfenahme von Milchzucker.
Die jeweilige Potenzierung des Homöopathikums lässt sich anhand der Buchstaben C, D und Q/LM (C=1:100, D=1:10, Q/LM=1:50.000) sowie der darauffolgenden Zahl entschlüsseln. D30 bedeutet beispielsweise, dass die Ausgangssubstanz dreißigmal 1:10 verdünnt bzw. potenziert wurde. Im Kontext der Belladonna-D30-Tropfen heißt das demnach, dass 1 Teil der Pflanze mit 10 Teilen Wasser vermischt und diese Verdünnung schließlich dreißigmal wiederholt wurde.
Das Pflanze-Wasser-Verhältnis beträgt in diesem Falle 1:1030. Aus einem Gramm Tollkirsche ließen sich in der Theorie demnach 1015 Kubikmeter-Tropfen Belladonna-Tropfen herstellen. Folglich ist bereits eine einzige Tollkirsche dazu ausreichend, um einen See in eine homöopathische Arznei zu verwandeln.
Homöopathische Arzneimittelzubereitungen
Dilution: Flüssige, in Wasser oder Alkohol verdünnte Darreichungsform eines homöopathischen Wirkstoffes.
Globuli: Aus Rohrzucker (Saccharose) bestehende Streukügelchen, die mit einer verdünnten Urtinktur benetzt und an der Luft getrocknet wurden.
Tablette: Homöopathische Tabletten sind aus Milchzucker zusammengesetzt und enthalten eine verdünnte Urtinktur.
Urtinktur: Flüssiger, alkoholhaltiger und unverdünnter Wirkstoffauszug, der als Ausgangsmaterial zur Herstellung homöopathischer Arzneimittel fungiert. Meist wird eine Urtinktur weiter vermischt und potenziert, sie lässt sich für gewöhnlich aber auch unverdünnt zur Anwendung bringen.
Absinthium
Wissenschaftlicher Name: Artemisia absinthium
Trivialnamen: Wermut, Absinthkraut, Bitterer Beifuß u.v.m.
Der Wermut ist eine der wichtigsten Bitterpflanzen, die sich phytotherapeutisch in besonderer Weise zur Behandlung von Appetitlosigkeit und Verdauungsstörungen bewährt hat; weitere traditionelle Wermut-Indikationen sind Erkältungssymptome, Erschöpfungszustände, Hautausschlag, schlecht heilende Wunden und Wurmbefall u.a.
Nicht außer Acht gelassen werden darf der Einsatz dieser Artemisie als Zutat der legendären Kräuterspirituose Absinth, die man aufgrund ihrer besonderen Wirkung und Färbung mundartlich auch als die „grüne Fee“ bezeichnet. Wermutkraut ist aber auch Bestandteil einiger abgewandelter Schwedenbitter-Rezepturen und anderer Heilelixiere, ferner wird es für ein aus Korea stammendes Vaginal-Dampfbad (Chai Yok, engl. Yoni Steam) genutzt, als magisches Räucherwerk verbrannt oder kleinen Kindern in die Betten gelegt (Stichwort: Wiegenkraut).
Letzteres schützt das Kind gemäß dem Volksglauben vor Albträumen, Dämonen und böswilligem Schadenszauber. Als zentrales Wirkprinzip wurde das Monoterpen Thujon nachgewiesen. Eine geistbewegende Verbindung, die infolge eines übermäßigen Gebrauchs als Nervengift wirken und folglich sehr unangenehme Begleiterscheinungen herbeiführen kann, so zum Beispiel Benommenheit, Durchfall, Erbrechen, Krämpfe, nervöse Unruhe und Schlaflosigkeit. Allesamt Symptome, die der Wermut infolge einer homöopathischen Anwendung abschwächen kann.
Aconitum
Wissenschaftlicher Name: Aconitum napellus
Trivialnamen: Blauer Eisenhut, Mönchskappe, Sturmhut u.v.m.
Der Blaue Eisenhut ist ein toxikologisches Schwergewicht. Bereits der Verzehr eines einzigen Blattes kann dramatische Folgen haben. Demnach darf diese sehr beliebte Zier- und Gartenpflanze aus der Familie der Hahnenfußgewächse nur mit dem allerhöchsten Maß an Vorsicht und Respekt behandelt werden, indes von einer Selbstmedikation dringend abgeraten werden muss.
Im Falle des Eisenhuts muss unbedingt auf homöopathische Fertigarzneimittel zurückgegriffen werden. Typische homöopathische Anwendungsschwerpunkte für eine Aconitum-Behandlung sind akute Entzündungserkrankungen, Erkältungssymptome und Fieber. Des Weiteren sämtliche Erkrankungen, die durch Schreck-, Schock- und Panikzustände ausgelöst wurden.
Mythologisch heißt es über den Eisenhut, dass seine hübsche kuppelförmige Blüte einstmals als der unsichtbar machende Helm des weltenreisenden Gottes Wotan assoziiert wurde.
Als Ritualdroge wurde die Pflanze früher angeblich dazu eingesetzt, um sich in einen Wolf zu verwandeln. Außerdem war der Eisenhut damals aufgrund seiner zuverlässigen Toxizität eines der verbreitetsten Mordgifte. Zahlreiche Ermordungen, von der Antike bis zum Mittelalter, lassen sich auf das im Eisenhut verfügbare Alkaloid Aconitin zurückführen.
Agaricus
Wissenschaftlicher Name: Amanita muscaria
Trivialnamen: Fliegenpilz, Fliegenschwamm, Narrenpilz, Rabenbrot u.v.m.
Wohl kein zweiter Pilz polarisiert die Gemüter auf solch nachhaltige Weise, wie es der charakteristisch ausschauende Fliegenpilz vermag. Auf der einen Seite wird ausdrücklich vor jedweder Verwendung dieses Giftpilzes gewarnt – schon die Kleinsten wissen in der Regel, dass man den roten Pilz mit den weißen Punkten auf der Huthaut keinesfalls anfassen oder gar essen soll. Andererseits wird Amanita muscaria symbolisch als Glückbringer gedeutet, als schamanischer Ritualpilz seit Jahrtausenden zur Herbeiführung von Trancezuständen verwendet oder seine getrocknete Huthaut wird als Zutat von geistbewegenden und traumintensivierendes Rauch- und Räucherwerken genutzt. Mancherorts fungiert der Pilz sogar für Speisezwecke; dies allerdings erst, nachdem die wirkstoffhaltige Huthaut entfernt und der Fruchtkörper über einen Zeitraum von 24 Stunden in Wasser eingelegt wurde.
Im Kontext seiner Gefährlichkeit kann also eine kleine Entwarnung gegeben werden, was allerdings nicht bedeutet, dass sein Konsum nicht möglicherweise zu Unannehmlichkeiten führt. Typische Symptome einer Fliegenpilz-Applikation sind unter anderem vergrößerte Pupillen, klartraumähnliche Bewusstseinszustände, eine enorme Erweiterung der akustischen Sinneswahrnehmung, leichte Schwindelgefühle, optische Verzerrungen, Flugvorstellungen und vieles mehr, nicht selten mit Übelkeit und Erbrechen einhergehend.
Eine tödliche Überdosis ist allerdings ziemlich unwahrscheinlich, denn dafür müsste man eine abnormal große Menge verzehren. So ist bis dato auch noch kein einziger Todesfall dokumentiert worden, der sich einzig auf den Verzehr des Fliegenpilzes zurückführen ließe. In der Homöopathie werden Amanita-Zubereitungen unter der Bezeichnung Agaricus als beruhigend wirkende Mittel bei innerer Unruhe sowie bei Angststörungen, Depressionen, Parkinson, Kopfschmerzen, Blasenentzündung, Tinnitus und kindlichen Entwicklungsverzögerungen u.a. empfohlen.
Anhalonium
Wissenschaftlicher Name: Lophophora williamsii
Trivialnamen: Peyote, Peyotl, Schnapskopf u.v.m.
Für die Medizinleute der in Mexiko heimischen Huicholen und Tarahumara ist der Peyote ein heiliges Sakrament. Sie sehen in dem kugeligen Kaktus die Quelle sowie zeitgleich das spirituelle Zentrum des Universums. Doch auch außerhalb seiner ursprünglichen Heimat ist Lophophora williamsii für viele Personen ein wichtiger pflanzlicher Verbündeter, der es seinen Anwendern beispielsweise ermöglicht, eine entheogene „Gottesschau“ zu erleben, unterbewusste Vorgänge zu erkennen oder kosmische Zusammenhänge besser zu verstehen. In der Homöopathie wird Anhalonium in verschiedenen Potenzen als Globuli oder flüssige Dilution verabreicht.
Aufgrund der bewusstseinsverändernden Wirkung sowie der „kopfähnlichen“ Kugelform des Kaktus, werden Peyote-Zubereitungen in der Homöopathie bei solchen Erkrankungen empfohlen, die vorranging die Kopfregion und die Psyche betreffen, so zum Beispiel Bewusstseinstrübungen, Depressionen, Migräne, Nervenschwäche, Schlafstörungen und psychotische Wahnvorstellungen. Hinweis: Obwohl Meskalin, der psychoaktive Hauptinhaltsstoff dieses Kaktusgewächses, in vielen Ländern der Illegalität unterliegt, sind homöopathische Anhalonium-Produkte von keiner betäubungsmittelrechtlichen Bestimmung erfasst. Gleiches gilt für den lebenden Kaktus, der erst dann illegal wird, sobald er für Rauschzwecke eingesetzt wird.
Belladonna
Wissenschaftlicher Name: Atropa belladonna
Trivialnamen: Schwarze Tollkirsche, Schwindelkirsche, Teufelsauge u.v.m.
Die Schwarze Tollkirsche ist eine alte Heil-, Ritual- und Giftpflanze, deren unsachgemäße Anwendung nicht nur im Rausch, sondern schlimmerenfalls auch im Tode münden kann. Der Name Belladonna („schöne Frau“) stammt zu hoher Wahrscheinlichkeit daher, weil sich die feinen Damen zu früheren Zeiten, zwecks Pupillenvergrößerung, etwas Tollkirschensaft in der Augen träufelten, um attraktiver zu wirken. Vielleicht wird die Pflanze aber auch deshalb so genannt, weil dem halluzinierenden Tollkirschen-Berauschten sehr häufig der Geist dieser Pflanze in der Gestalt einer verführerischen Frau erscheint. In der Magie wurden die getrockneten Blätter und Beeren, meist in synergistischer Kombination mit weiteren geistbewegenden Stoffen, als Räucherwerk verwendet, um Visionen zu erzeugen sowie aus spirituellen Schutzaspekten heraus.
Weiterhin wird vermutet, dass die Tollkirsche einstmals eine wichtige Zutat der legendenträchtigen Hexen- bzw. Flugsalben gewesen sein könnte. Die medizinische Anwendung als Homöopathikum erfolgt üblicherweise in den Potenzen C6, C12, D6 und D12; die Potenzen C30 oder C200 werden hingegen nur selten verordnet. Typische Anwendungsgebiete sind im Grunde genommen all solche Beschwerden, die plötzlich auftreten und häufig mit heftigen Symptomen einhergehen, z.B. Augen-, Atemwegs- und Blasenentzündungen, Bauch-, Hals-, Kopf-, Ohren- und Zahnschmerzen, Grippe sowie Fieber. Weitere Indikationen sind Akne, Gicht, Menstruationsbeschwerden, Nasennebenhöhlenentzündung und Sonnenbrand.
Stramonium
Wissenschaftlicher Name: Datura stramonium
Trivialnamen: Gemeiner Stechapfel, Donnerkugel, Dornapfel u.v.m.
Der Stechapfel ist ein machtvolles Psychoaktivum und wird als solches auch heute noch verwendet, zum Beispiel in Indien, Mexiko sowie in arabischen Ländern. Niedrig dosiert wirkt die Pflanze aphrodisierend, euphorisierend und simulierend, höher dosiert kann es „nachtschattentypisch“ zu Halluzinationen, einer starken Gesichtsrötung, Schluckbeschwerden, Fieber, Wahnvorstellungen und Panikattacken kommen. Selbstexperimente mit dieser Pflanze, die einen oralen Verzehr vorsehen, sind folglich viel zu gefährlich und sollten ausschließlich geübten Schamanen überlassen werden. Signifikant sicherer ist eine Anwendung als Räucherwerk. Wer die Pflanze medizinisch nutzen möchte, der nutzt sie sinnvollerweise als Homöopathikum. Als solches kann Stramonium bei Albträumen, Angstzuständen, Asthma, Depressionen, Muskelkrämpfen sowie bei unkontrollierten und hysterischen Wutausbrüchen helfen.
Taxus baccata
Wissenschaftlicher Name: s.o.
Trivialnamen: Europäische Eibe, Gemeine Eibe, Kantel-Baum u.v.m.
Die Eibe ist ein ureuropäischer Schamanenbaum, der für unsere nordischen Vorfahren eine ihrer heiligsten Zauberpflanzen war. Einige Wissenschaftler vermuten sogar, dass der sagenumwobene Weltenbaum Yggdrasil keine Esche, sondern eine Eibe gewesen ist. Unbedingt zu beachten ist jedoch, dass mit Ausnahme vom roten Samenmantel alle Pflanzenteile hochgiftig sind. Dies durch die im Pflanzenmaterial vorkommenden Taxine begründet, die an heißen Sommertagen verdunsten und über die Atmosphäre eingeatmet werden können. Wer im Hochsommer also eine kleine Weile im Schatten einer Eibe verweilt, wird möglicherweise schon erste Anzeichen einer Wirkung feststellen können, möglicherweise mit schummrigen Gefühlen, einer leichten veränderten Wahrnehmung, Kopfschmerzen und erhöhten Schweißabsonderungen einhergehend.
Es heißt, dass die keltischen Druiden ihre Rituale angeblich genau aus diesem Grund unter der Eibe abhielten, nämlich um mittels der flüchtigen Pflanzenwirkstoffe das Bewusstsein zu verändern. Doch Vorsicht: Wer auf die lebensmüde Idee kommt, Eibennadeln zu rauchen oder sie innerlich zu applizieren, aus welchen Gründen auch immer, der muss mit schwerwiegenden Vergiftungserscheinungen rechnen. Von einer Selbstmedikation muss daher unbedingt abgeraten werden. In der traditionellen Volksmedizin waren Eibennadeln in erster Line als wirkstarkes Mittel gegen böswillige und krankmachende Zaubereien sowie als Antidot (Gegenmittel) bei Tollwut und Schlangenbissen von Relevanz, ferner wurden sie bei Blasenleiden, Diphterie, Epilepsie, Mandelentzündung und Menstruationsstörungen empfohlen, was heute aufgrund der besagten Giftigkeit jedoch nicht mehr geschieht. In der Schulmedizin wird die aus Eiben-Wirkstoffen gewonnene Verbindung Paclitaxel als Krebsmittel eingesetzt. Als Homöopathika eignen sich Taxus-baccata-Präparate hingegen bei Gicht, juckenden Hautausschlägen, Herzbeschwerden, Leberkrankungen, Magen-Darm-Leiden sowie bei Rheuma.





