Nootropika, Smart Drugs & Neuroenhancement

Symbolbild: Modafinil | Copyright: Niklas Martin

Nootropika, Smart Drugs & Neuroenhancement

Pharmakologische Optimierung: Eine Einführung

Verbesserte Intelligenz und geistige Leistungsfähigkeit durch Substanzeinnahme? Seit Jahrzehnten liefert die Pharmazie Mittel, die auf solche Verbesserungen hoffen lassen. Welche Mittel funktionieren wirklich? Und was versteht man eigentlich unter den Begriffen «Smart Drugs», Nootropika und Neuro-Enhancement?

 

Der Wille, den Geist zu schärfen, reicht weit in die Geschichte zurück. So wird beispielsweise den Studenten im antiken Griechenland nachgesagt, sie hätten Rosmarin gegessen, um ihre Gedächtnisleistungen zu verbessern – eine Praxis, die im Lichte moderner Forschung nicht ganz abwegig erscheint (Rudra 2018, S. 31; Habtemariam 2016, Siehe auch: Kapitel 7).

Auch in der Moderne haben Gehirndopingmittel längst den Einzug in die Schulen, Universitäten und all jene Arbeitsplätze gefunden, an denen geistige Höchstleistungen gefordert werden. Dabei spielen nicht nur alle Spielarten von Koffein eine Rolle, sondern auch diverse verschreibungspflichtige Medikamente und illegalisierte Substanzen (Esposito et al. 2021, S. 348f).

1. «Smart-Drugs» in der Populärkultur

Große Bekanntheit erlangte das Thema nicht zuletzt durch den 2011 erschienenen Film «Limitless» (deutscher Titel: «Ohne Limit», basierend auf dem Roman «The Dark Fields» von Alan Glynn). Protagonist «Eddie Morra» – zu Filmbeginn ein erfolgloser Schriftsteller – gelangt mehr oder minder zufällig an «NZT-48», eine Droge, die seine Intelligenz, sein Erinnerungsvermögen sowie seine Wahrnehmungs- und Konzentrationsfähigkeit drastisch steigert.

Im Film verändert die fiktive Droge das Leben des Protagonisten enorm: Sein Debüt-Roman wird brillant, er lernt mehrere Sprachen und erwirtschaftet enormes Kapital durch Börsenspekulation.

Der Film spricht damit ein Bedürfnis an, das nicht wenige Menschen teilen. Nicht wenige Anbieter von Brain-Doping-Mixturen werben mehr oder minder offen für die «Limitless-Pille der echten Welt» und machen sich den Begriff für Werbezwecke zu Eigen. In nahezu allen Online-Communities wird von Neulingen die Frage nach «Real-Life NZT» gestellt.

Betrachtet man die Suchmaschinenanfragen für «limitless pill», so sieht man auch dort einen enormen Peak zum Veröffentlichungsjahr des Films sowie einen noch gravierenderen Anstieg im Jahr 2015, als die Serie zum Film veröffentlicht wurde.

Weit weniger bekannt ist der 1960 erschienene Roman «Flowers for Algernon» (zu deutsch: «Blumen für Algernon») des amerikanischen Autors Daniel Keyes. In Tagebuchform berichtet der 32-jährige Protagonist Charlie Gordon, der aufgrund einer unbehandelten Stoffwechselstörung in seiner Kindheit eine starke geistige Beeinträchtigungen aufweist.

Nach einer erfolgreichen Experimentaltherapie verdreifacht sich Charlies Intelligenz. Seine Wahrnehmung der Welt verbessert sich radikal, während er dazu in der Lage ist, neues Wissen in atemberaubender Weise aufzunehmen.

2. Die Entstehung des Begriffs «Nootropikum»

Bereits im Jahr 1972 prägte der rumänisch-bulgarische Arzt Corneliu E. Giurgea den Begriff «Nootropikum» (von altgriechisch νοῦς, dt. etwa: Denken, Geist, Intellekt und τρόπος, dt. etwa: Wendung). Der Begriff soll demnach Substanzen beschreiben, die das Denken an sich verändern bzw. verbessern.

Er wählte den Begriff in direkter Anlehnung an die Bezeichnung «Psychotropikum», die allgemein jene Substanzen beschreibt, welche die menschliche Psyche beeinflussen können.

Giurgea war ausgebildeter Mediziner und Leiter der Abteilung für Neuropharmakologie bei der «Union Chimique Belge» (UCB) in Brüssel, wo er maßgeblich an der Entwicklung von Piracetam beteiligt war (Margineanu 2011, S. 35).

Piracetam regt unter anderem die Sauerstoffverwertung im Gehirn an, weshalb es zur Behandlung von Demenzerkrankungen eingesetzt wird. Es soll dabei die Konzentrations- und Gedächtnisfunktion verbessern.

Ausgehend vom Wirkspektrum des Piracetams entwickelte Giurgea die Definition der Nootropika, welche demnach u.a.

1) Das Gedächtnis und die Lernfähigkeit verbessern,

2) das Gehirn vor physikalischen und chemischen Verletzungen schützen,

3) die Widerstandsfähigkeit des Gedächtnisses gegenüber Störungen (z.B. von Sauerstoffmangel) erhöhen sowie

4) wenige Nebenwirkungen und eine sehr niedrige Toxizität aufweisen sollen (Margineanu 2011, S. 36; Rudra 2018, S. 33).

Nootropika haben somit grundsätzlich keine rein pharmakologische Definition, sondern eine phänomenologische. Das bedeutet, Nootropika sind nicht Vertreter einer Gruppe von Wirkstoffen, die an einem bestimmten Rezeptor anknüpfen, sondern umfassen alle Substanzen, die unter die obige Definition fallen.

(Eine ähnliche Aussage könnte auch über Psychedelika getroffen werden, wenn neben den klassischen Vertretern wie Psilocybin, Meskalin, LSD oder DMT auch bspw. Salvinorin A als psychedelisch betitelt wird, bei dessen Wirkung die 5-HT2A-Rezeptorwirkung keine Rolle spielt.)

3. Nootropika sind kein «Brain-Doping»

Nach Giurgeas Definition wäre jedes Nootropikum ein «cognitive enhancer» (dt. Mittel zur «kognitiven Verbesserung») oder eine «smart drug» (dt. etwa: «intelligenz-verbessernde Droge»), umgekehrt lässt sich diese Aussage jedoch nicht treffen.

Zwar können Medikamente wie Ritalin (Methylphenidat) oder Attentin (Dexamphetaminhemisulfat) die Aufmerksamkeit steigern und möglicherweise das Kurzzeitgedächtnis verbessern (Esposito et al. 2021, S. 351), jedoch sind diese weder nebenwirkungsarm, noch weisen sie eine sehr geringe Toxizität auf (vgl. auch: Rudra 2018, S. 33f). Gleichwohl wird der Begriff der «Nootropika» heute, insbesondere im Online-Diskurs, synonym mit «smart drug» bzw. «brain doping» verwendet und hat mit Giurgeas Definition nur noch wenig gemeinsam.

Während Piracetam und weitere Nootropika in der Medizin hauptsächlich zur Behandlung von Demenz Anwendung finden, ist die Anwendung von solchen Antidementiva bei gesunden Menschen in ihrer Wirksamkeit häufig umstritten.

Der Begriff «Neuro-Enhancement» beschreibt dagegen explizit biomedizinische Verfahren, die dazu ausgerichtet sind, bei gesunden Menschen eine Verbesserung der Gehirnfunktion zu erreichen. Von besonderer Bedeutung ist dabei (vor allem in den vergangenen Jahren) eine Verbesserung kognitiver Funktionen (Aufmerksamkeit, Fokus und Gedächtnisleistung) (Schütz/Hildt/Hampel 2016, S. 11).

Psychoaktiva bzw. psychotrope Substanzen

Alle Substanzen, welche die menschliche Psyche beeinflussen können

Nootropika

Substanzen, die das Denken an sich verändern bzw. verbessern

Psychedelika

Von Huxley und Osmond geprägter Begriff. Wörtliche Bedeutung: «Die Seele offenbarend»

Neuro-Enhancement

Beschreibt biomedizinische Verfahren, die darauf ausgerichtet sind, bei gesunden Menschen eine Verbesserung der Gehirnfunktion zu erreichen

«Smart Drug» & «Brain-Doping»

Umgangssprachliche Begriffe für Substanzen (auch sog. «Straßendrogen»), die dazu dienen sollen, die geistige Leistungsfähigkeit zu verbessern

4. Nootropika und «Smart Drugs» im Online-Handel

Zahlreiche Online-Shops haben sich dem Thema «Nootropika» verschrieben. Oft wird in effekthaschender Manier von «Brain Hacking», «Brain-Boostern» gesprochen oder mit «unlock your full potential» geworben (vgl. auch: Wexler et al. 2020) – es drängt sich der Vergleich mit der fiktionalen Droge aus «Limitless» auf, der in diversen Werbetexten nicht nur implizit gezogen wird.

Nur extrem selten handelt es sich bei solchen Angeboten um seriöse Versprechen. Meist beinhalten die feilgebotenen Mixturen reichlich Substanzen, denen zwar wenigstens in der Theorie eine entsprechende Wirkung zugesprochen wird (wie zum Beispiel Ginsengextrakte und Koffein, siehe auch Abschnitt 7), die jedoch den Marketing-Versprechungen in aller Regel nicht standhalten können (vgl. etwa: Barringer/Crombie/Kotwal 2018).

5. Die Studienlage

Einer ganzen Reihe von Substanzen werden subjektiv-kognitive Verbesserungen nachgesagt. Darunter befinden sich sowohl zugelassene Arznei- und Lebensmittel, als auch diverse sogenannte Research Chemicals.

Nur in wenigen Fällen konnten Substanzen identifiziert werden, die ein zufriedenstellendes Kosten-Nutzen-Verhältnis aus signifikanter Wirkung und akzeptablen Risiken und Nebenwirkungen aufweisen (vgl. Repantis et al. 2021, S. 449). Denn, wie bereits angesprochen, werden viele der verwendeten Substanzen nur off-label (abseits des zugelassenen medizinischen Gebrauchs) zur Verbesserung der kognitiven Leistungen von Gesunden angewendet. Im beispielhaften Falle einiger Antidementiva (z.B. Donepezil) scheint die – leider ohnehin geringe – Wirkung nur im Fall einer konkreten Erkrankung signifikant zu sein (Schütz/Hildt/Hampel 2016, S. 11; Esposito et al. 2021, S. 347).

Ambivalente Ergebnisse durch schwer vergleichbare Studiendesigns

Bei der Betrachtung des Forschungsstandes finden sich darüber hinaus auffällig viele ambivalente Ergebnisse. Während manche Studien deutliche Hinweise für kognitive Verbesserungen einzelner Substanzen finden (Randall et al. 2005) liefern andere Studien gegenteilige Ergebnisse (Turner et al. 2003).

In einer systematischen Metaanalyse zeigen Battleday und Brem (2015) auf, dass sich diese Unterschiede auf die verschiedenen methodischen Konzeptionen der Einzelstudien zurückführen lassen. So wurden in vielen Studien sehr vereinfachte Tests angelegt, bei denen die kognitiven Verbesserungen nur sehr unzureichend gemessen werden konnten.

Ihr grundsätzliches Argument besagt, dass es sich bei «Aufmerksamkeit», «Lernen» und «Gedächtnis» um komplexe Konzepte handelt, deren Verbesserung dementsprechend kleinteilig untersucht werden muss, um Fortschritte nicht zu übersehen.

6. Die beliebtesten «smart drugs»

Modafinil

Im Falle von Modafinil (Handelsname: Provigil) – einer der meistverwendeten «smart drugs» – finden sich bei einer solchen komplexen Analyse deutliche Belege für geschärfte Aufmerksamkeit, höhere exekutive Funktion, sowie verbesserte Lern- und Gedächtnisfähigkeiten (Battleday/Brem 2015, S. 1876). Die Autoren vermerken (2015, S. 1879):

«Es ist hervorzuheben, dass mit zunehmender Dauer und Komplexität der Tests eher mehr als weniger Vorteile des Modafinils zu Tage treten, was darauf hindeutet, dass es durchaus den Titel des ersten gut validierten “Nootropikums” verdienen könnte.»

Trotz dieser positiven Einschätzung ist Modafinil leider nicht völlig unbedenklich. Zwar wird das Mittel regelmäßig verschrieben (z.B. bei Narkolepsie und beim Schichtarbeiter-Syndrom), doch wie bei nahezu allen Medikamenten besteht auch hierbei die Möglichkeit eines anaphylaktischen Schocks sowie in sehr seltenen Fällen die Gefahr, das Stevens-Johnson-Syndrom zu erleiden (Prince et al. 2018).

Methylphenidat

Nach der Verabreichung von Methylphenidat (Handelsnamen: Ritalin, Medikinet etc.) konnte eine schwache, aber signifikante Verbesserung der Gedächtnisleistung bei den Probanden gemessen werden (Repantis et al. 2021, S. 446). Darüber hinaus berichten Studierende über eine subjektiv gesteigerte Leistungsfähigkeit und einen ablenkungsfreien Fokus auf zu erledigende Aufgaben.

Zwar handelt es sich bei Methylphenidat um eines der am häufigsten verschriebenen Medikamente, das beispielsweise zur Behandlung von ADHS und Narkolepsie eingesetzt wird, jedoch ist vom nicht-medizinischen (Dauer-)Gebrauch aufgrund der zahlreichen Nebenwirkungen und einer möglichen Abhängigkeitsentwicklung abzuraten.

Piracetam

Das bereits erwähnte Piracetam gilt laut seinem Entdecker als das erste Nootropikum. Zwar wird die Substanz heute kaum noch in der Demenz-Behandlung eingesetzt, doch wird es off-label noch immer aufgrund seiner nootropischen Wirkung genutzt.

Die Wirkung bei Demenz-Patienten gilt heute als umstritten (Flicker/Grimley Evans 2001). Das Potenzial zur Verbesserung der kognitiven Leistung bei gesunden Patienten (insbesondere bei der Verbesserung des deklarativen Gedächtnisses) (vgl. Vernon/Sorkin 1991, S. 18)) wird weiterhin angenommen.

Allgemein gilt Piracetam als sehr gut verträglich mit wenigen unerwünschten Nebenwirkungen. Studien zu Langzeitwirkungen von Piracetam bei gesunden Probanden sind in der Literatur erwartungsgemäß nicht auffindbar.

Für andere «Racetame», wie z.B. Phenylpiracetam, Aniracetam, Oxiracetam, Sunifiram und Pramiracetam, werden oft ähnliche Wirkungen angenommen, wobei Studien zur Effektivität und Verträglichkeit der Substanzen rar gesät sind (Koliaki/Messini/Tsolaki 2011, S. 302, S. 302; Suliman et al. 2016, S. 4).

7. Pflanzen, Pilze und Lebensmittel

Zahlreichen typischen Lebensmitteln wird eine geistanregende Wirkung nachgesagt. Darunter auch Rosmarin, Ginko, Ginseng und viele weitere (Onaolapo/Obelawo/Onaolapo 2019, S. 6; Vyas/Kothari/Kachhwaha 2019, S. 28f). Klinische Studien, die eine signifikante Wirkung nachweisen, sind jedoch selten und die Wirkungen oft nur im Tierversuch bestätigt, weshalb hier nur exemplarisch diejenigen Kandidaten aufgeführt sind, bei denen eine nennenswerte Wirkung sehr wahrscheinlich und auch klinisch nachgewiesen ist.

Koffein

In zahlreichen Studien konnte bewiesen werden, dass Koffein einen positiven Effekt auf das dauerhafte Aufmerksamkeitsvermögen und die Reaktionsfähigkeit hat (Repantis et al. 2021, S. 447). Diese Verbesserungen sind sowohl bei Probanden mit als auch ohne Schlafentzug messbar.

L-Theanin

L-Theanin ist eine Aminosäure, die u.a. in den oberirdischen Pflanzenteilen der Teepflanze (Camelia sinensis) zu finden ist. Aufgrund der Verarbeitung ist die Substanz in grünem Tee in höherer Konzentration vorhanden.

Insbesondere in Verbindung mit Koffein kann L-Theanin die Aufmerksamkeit, die Informationsverarbeitung und das Wohlbefinden verbessern. Die Effekte treten üblicherweise eine Stunde nach der Aufnahme ein (Camfield et al. 2014).

Kurkuma (Curcuma longa)

In einer Metaanalyse belegten die Autoren, dass durch die Verabreichung von Kurkuma die degenerativen Auswirkungen einer Alzheimer Erkrankung in Versuchstieren gestoppt werden können (Mendonça da Costa et al. 2019).

Während unklar ist, ob diese Erkenntnisse auch auf den Menschen übertragbar sind, existieren zahlreiche weitere positive Effekte, die als gesichert gelten. Darunter eine Wirkung bei schwerer klinischer Depression (Sanmukhani et al. 2014).

Igel-Stachelbart (Hericium erinaceus)

Der Igel-Stachelbart ist ein Pilz, der nahezu überall in der nördlichen Hemisphäre heimisch ist, jedoch allgemein als sehr selten gilt.

Er findet Anwendung als Speise- und Heilpilz. Eine positive Wirkung auf das Gedächtnis konnte im Tierversuch nachgewiesen werden (Brandalise et al. 2017). Auch in der Behandlung von leichter kognitiver Beeinträchtigung beim Menschen konnten Erfolge erzielt werden (Mori et al. 2009).

Kleines Mädesüß (Filipendula vulgaris)

Wässrige Extrakte von Filipendula vulgaris zeigen im Laborversuch nootropische Eigenschaften, die mit denen von Piracetam vergleichbar sind (Shilova/Suslov 2015). Ähnliche Versuche am Menschen wurden in der Literatur bisher nicht festgehalten.

8. Safer Use

Zahlreiche Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die Denk- und Gedächtnisleistung durch ausreichenden Schlaf, gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und Stressreduktion dramatisch verbessert werden kann. Dies sind die Stellschrauben, die zuerst verändert werden sollten, bevor pharmakologische Mittel ihre Anwendung finden.

Schließlich handelt es sich bei nahezu allen genannten Medikamenten um Substanzen, die für einen nicht vorhergesehenen Zweck verwendet werden und deren mögliche Langzeitfolgen (insbesondere für junge Menschen) nicht abschließend erforscht sind.

Spannenderweise wird genau dieser Faktor im eingangs erwähnten Film «Limitless» ausgespart: Während der Protagonist in der Romanvorlage sehr viel drastischere Nebenwirkungen erfährt (er leidet an extremen Panikattacken und Blackouts) und kein Happy-End erlebt, ist ihm in der Verfilmung ein erfolgreiches Schicksal als (drogenfreier) US-Präsident vergönnt – es bleibt dem Publikum überlassen, ob dies als aussichtsreiche Werbung für psychotrope Substanzen zu werten ist.

Wer von den besagten Substanzen dennoch nicht die Finger lassen kann, sollte sich möglichst an Substanzen halten, die eine Zulassung als Medikament aufweisen können. Üblicherweise sind die meisten unerwünschten Nebenwirkungen und Kontraindikationen nach den klinischen Tests bekannt.

Wie bei anderen Substanzen gilt: «Start low, go slow»: Mit einer niedrigen Dosis beginnen und gegebenenfalls langsam nach oben dosieren. Vom Mischkonsum sollte Abstand genommen werden.

9. Resümee und Ausblick

Aufgrund der offensichtlichen ethischen Probleme, ist es für legal agierende Wissenschaftler äußerst schwierig, Forschungen bezüglich der Off-Label-Anwendung diverser Medikamente an gesunden Probanden durchzuführen (vgl. Esposito et al. 2021, S. 351).

Die besprochenen Substanzen stellen deshalb nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Bereich der potenziellen «Nootropika» bzw. «smart drugs» dar. Zahlreiche Online-Foren beschäftigen sich deshalb mit der privaten Forschung an den entsprechenden Kandidaten.

Im Bereich des «Cognitive Enahncements» warten noch viele Optionen auf ihre Entdeckung, sei es durch die angesprochenen pharmazeutischen Mittel, durch elektronische Stimulation des Gehirns (Madan 2014, (TMS)) oder durch die potenzielle Verwendung von Psychedelika in der Behandlung von Hirnschäden (Vann Jones/O’Kelly 2020).

Letzteres ist in zweierlei Hinsicht interessant: Zum einen, weil die psychedelisch-induzierte Neurogenese ein spannendes Forschungsfeld sein wird, das gegebenenfalls auch Menschen zugute kommt, die ein gesundes Gehirn weiter verbessern wollen, zum anderen, weil die Firma, die sich dieser Forschung gewidmet hat, den Namen «Algernon Pharmaceuticals» trägt.

Damit wird auf das Buch «Flowers for Algernon» verwiesen, das zu Beginn erwähnt wurde. Darin verwandelt sich Protagonist Charlie nach einer erfolgreichen Experimentaltherapie von einem intellektuell unterdurchschnittlichen Menschen in ein wissenschaftliches Genie – bevor sich die Fortschritte umkehren und er schließlich in den Ursprungszustand zurückfällt.

Für die beiden Autoren von «Limitless» (in der Buchversion) und «Flowers for Algernon» war es also klar, dass keine Verbesserung ohne ihren Preis zu haben ist. Eine dauerhafte Verbesserung des menschlichen Geistes sahen die Science-Fiction-Schriftsteller nicht so unproblematisch, wie es sich Marketing, Medien und manche User heute vorstellen.

Auch ist grundsätzlich auf die ethischen Fragen der «smart drugs» verwiesen: Handelt es sich bei der Verwendung in Universität und Arbeitsplatz um unzulässiges Doping? Verschaffen sich die Nutzer damit einen unrechtmäßigen Vorteil im Wettbewerb?

Aufgrund der stetig steigenden Anforderungen im Alltag sehen sich die Menschen zunehmend gezwungen, ihre Produktivität zu steigern und greifen dann nach pharmazeutischen Mitteln, um diesen Erfordernissen gerecht zu werden. Es stellt sich die Frage, ob Substanzen aus solchen Gründen konsumiert werden sollten – wenn das eigentliche Problem möglicherweise darin liegt, dass sich der Mensch ein Umfeld geschaffen hat, das Erwartungen stellt, die nicht mehr auf natürlichem Wege erfüllt werden könnten.

Literatur:

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Dirk Netter