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Psychedelika und Tierversuche

Psychedelika und Tierversuche

Ein Plädoyer für bewusstere Psychonautik

Text: Dr. Bettina Warwitz und Vanja Palmers

 

PRÄAMBEL

Oberstes Ziel unserer Bemühungen in diesem Leben ist das Lindern des Leidens bzw. das Fördern der Freude. Je nachdem, wie eng oder weit wir den Kreis unserer Identität und Zugehörigkeit ziehen, konzentrieren wir uns dabei hauptsächlich auf uns selber, unsere Familie und Freunde, Nation, Ethnie, die ganze Menschheit, alle fühlenden Wesen.

DAS THEMA: TIERVERSUCHE IM ZUSAMMENHANG MIT PSYCHEDELIKA

Ein zentraler Aspekt des psychedelischen Erlebens ist die Einheitserfahrung, in der sich der Mensch als Teil des pulsierenden Lebens und des ganzen Universums erfährt. Es besteht keine klare Grenze mehr zwischen «mir» und «anderen» Lebewesen. Hier liegt auch ein wichtiges therapeutisches Potenzial dieser Moleküle: Dem Gefühl des Getrenntseins, Wurzel vieler persönlicher, sozialer und ökologischer Probleme, wird auf viszeraler Ebene entgegengewirkt und das Individuum kann die verloren geglaubte Verbundenheit und Einheit tatsächlich wieder spüren. So gesehen sind Tierversuche ein Akt der Selbstverstümmelung.

Bevor Substanzen auf den Markt gelangen und mit Menschen in Berührung kommen, sieht das Gesetz vor, dass verschiedene Tierversuche durchgeführt werden – ungeachtet der immer weiter verbreiteten Einsicht, dass das Modell Tierversuch eigentlich überholt ist und neue, tierversuchsfreie, humanbasierte Forschungsmethoden (z.B. Mini-Gehirne oder Chip-Systeme) die Reaktionen des Menschen sowohl mental als auch auf der körperlichen Ebene besser vorhersagen und relevantere Ergebnisse liefern können. Das häufig angeführte Pro-Tierversuch-Argument, man dürfe Substanzen nicht direkt am Menschen testen, fällt für Psychedelika sowieso weg: Sie werden teilweise seit Jahrtausenden konsumiert und waren bis vor ein paar Jahrzehnten ja auch legal.

Ganz davon ab, erbringen Tierversuche in Bezug auf psychotrope Substanzen so gut wie nie wirklichen Aufschluss über deren pharmakologischen Effekte und psychoaktive Wirksamkeit – dies gilt insbesondere für Psychedelika. Nur der Mensch kann im Versuch ermessen, ob ein psychotropes Molekül die erwarteten/gewünschten Eigenschaften aufweist – oder eben nicht. Das Verfahren, entsprechende Moleküle an sich selbst zu probieren, hatte der deutsche Pharmakologe und Chemiker Arthur Heffter etabliert, weshalb der Bioassay am eigenen Leib auch heute noch «Heffter-Technik» genannt wird.

Aber Tierversuche werden, auch mit Psychedelika, weit über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus angewendet. Das Zufügen von Leiden ist eine schlechte Strategie, um das Ziel des Wohlergehens für alle zu erreichen. Wir müssen dabei unser natürliches und spontanes Mitgefühl unterdrücken, es untergräbt unsere Menschlichkeit. Dies gilt besonders, wenn wir Wesen, die sich völlig hilf- und wehrlos in unserer Gewalt befinden, Leid zufügen.

Es wäre schön und wünschenswert, wenn das Thema Tierversuche (laut Albert Schweitzer eines der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte) im Bewusstsein der psychonautischen Kultur mehr Beachtung und Raum fände und wir so auch hier einen kleinen Beitrag zu einer friedlichen, freundlichen Welt leisten könnten.

Während die wenigsten LeserInnen dieser Zeilen jemals in ihrem Leben einen Tierversuch planen, geschweige denn durchführen, unterstützen vermutlich relativ viele PsychonautInnen, halb bewusst und halb verdrängt, das Stressen unserer Mit-Erdlinge Incilius (Bufo) alvarius und Phyllomedusa bicolor. Das von ihnen unter Todesangst abgesonderte Sekret ist seit ein paar Jahren bei uns im Westen sehr begehrt. Wenn ein indigenes Volk so etwas praktiziert, dann ist das eine Sache – wenn plötzlich Zehn- oder gar Hundertausende wohlhabende Weiße danach verlangen, dann beginnt eine erbarmungslose Jagd bis an die Grenze der Ausrottung und, noch schlimmer, die armen Frösche bzw. Kröten werden kommerziell intensiv gehalten … und in Intervallen gestresst, damit sie ihr Sekret abgeben. Das wird dann verharmlosend und irreführend ‚melken‘ genannt. Dabei ist, im Fall der Coloradokröte, 5-MeO-DMT auch in vielen Pflanzen zu finden und kann ebenso im Labor hergestellt werden. Im Übrigen berichten Protagonisten, dass in Gefangenschaft lebende Kröten bisweilen kein wirksames Sekret produzieren …

Last but not least: Stichwort intensive Tierhaltung. In diesem Zusammenhang darf der Hinweis nicht fehlen, dass unsere Essgewohnheiten der weitaus wichtigste, wirksamste uns zur Verfügung stehende Hebel ist, ein wahrer Zauberstab im Bemühen um eine respektvolle, gewaltfreie Haltung in dieser Welt.

Mögen alle Wesen glücklich sein.