Psychoaktiv – der Drogen- und Alkoholpodcast

Psychoaktiv – der Drogen- und Alkoholpodcast

Ein Interview

Podcasts, die sich mit psychotropen Substanzen beschäftigen, sprießen seit Ende 2020 wie Frischpilze aus dem Boden. Die Bandbreite der Herangehensweise ist groß: Betrachten die einen hauptsächlich Safer-Use und Nachtleben, nehmen andere hauptsächlich Rechtsthemen in den Fokus.

Erwartungsgemäß glänzen nicht alle dieser Formate mit herausragendem Sachverstand, weshalb es für die Hörerschaft nicht immer einfach ist, im Angebotsdschungel den passenden Podcast ausfindig zu machen. Wir stellen deshalb im nachfolgenden Interview einen Podcast vor, der aus dem üppigen Angebot angenehm hervorsticht.

Für alle, die dich und deinen Podcast nicht kennen: Wer bist du und was machst du?

Ich bin Steffi Bötsch, 26 Jahre alt und Host meines Podcasts «Psychoaktiv – der Drogen- und Alkoholpodcast». Ich habe in Coburg Soziale Arbeit studiert und mache inzwischen einen Master in Suchttherapie und Sozialmanagement in Frankfurt. Ich habe schon viele Facetten der Drogenhilfe kennengelernt und arbeite aktuell hauptamtlich als Drogenberaterin und Suchttherapeutin, sowohl ambulant als auch stationär.

Woher kommt dein Interesse für psychotrope Substanzen?

Es gibt viele Gründe, warum mich psychotrope Substanzen interessieren. Grundlegend habe ich mich für Substanzen als Schwerpunkt entschieden, weil das Thema so vielfältig ist, dass es verspricht, dass ich mich mein ganzes Leben damit beschäftigen kann. Es gibt einfach so viel zu entdecken, sei es Wissen über die Substanzen selbst, das Politikum dahinter, der Konsum als psychische Erkrankung in Form von einer Abhängigkeit, die Möglichkeit des moderaten Konsums, die den illegalisierten Substanzen so oft abgesprochen wird und so weiter. Es gibt so viele Dinge, die noch nicht erforscht sind, und ich freue mich darauf, meinen Teil dazu beizutragen.

Warum hast du das Format Podcast gewählt? Der Trend geht ja zurzeit eher in Richtung Videocast.

Ich finde Podcasts einfach viel praktischer, die kann man auch mal im Auto oder beim Spazieren hören, ohne auf einen Bildschirm starren zu müssen.

Außerdem merkt man bei Podcasts nicht so einfach, dass ich mich von absolut allem ablenken lasse. Videos wären da ein ganz schöner Schneideaufwand.

Der Beititel deines Podcasts lautet «Der Drogen- und Alkoholpodcast». Beim ersten Blick wurde ich da ein bisschen stutzig. Zählt Alkohol denn für dich nicht als Droge?

Doch, natürlich ist Alkohol auch eine Droge. Aus einer Sicht, die ausschließlich auf die Substanzen an sich gerichtet ist, mache ich da keinen Unterschied.

Würde ich meinen Podcast jedoch nur «Drogenpodcast» nennen, dann würden sich Menschen, die lediglich Alkohol konsumieren, ziemlich sicher nicht angesprochen fühlen.

Aufgrund der Prohibition von vielen Substanzen unterscheidet sich der Konsumkontext derjenigen Konsumenten, die ausschließlich legale Substanzen gebrauchen, von denen, die illegalisierte Substanzen benutzen. Das sorgt für unterschiedliche Konsumrealitäten, und darin begründet sich für mich auch der Unterschied im Namen.

Oft wird ja im öffentlichen Diskurs über sogenannte harte und weiche Drogen gesprochen. Wie stehst du zu dieser Kategorisierung? Würdest du diese Zweiteilung unterschrieben? Und wenn ja, woran erkennt man harte und weiche oder gar “gefährliche” Drogen?

Ich finde, dass diese Unterscheidung oft sehr willkürlich verwendet wird. Für den einen sind harte Drogen alles, was illegalisiert ist, für den anderen, alles, was intravenös konsumiert wird, und für wieder andere etwas komplett anderes. Ich benutze diese Kategorisierung gar nicht, da sie für mich absolut nichts Handfestes über eine Substanz aussagt.

Die Frage, welche die gefährlichste Droge ist, ist nicht so einfach zu beantworten. Eine Droge an sich, ist immer das, was der Konsument aus dieser macht. Ich habe jedoch zu dieser Frage auch schon eine Folge produziert und die berühmte Studie von David Nutt vorgestellt, in der der Selbst- und Fremdschaden verschiedener Substanzen eingeschätzt wird. Darin wurde Alkohol mit Abstand als schädlichste Substanz klassifiziert, vor allem wegen des hohen Fremdschadens. Man muss hier jedoch bedenken, dass der Fremdschaden vor allem aus der hohen Akzeptanz und dem weit verbreiteten Konsum entsteht. Diese Einschätzungen wären also beeinflussbar, wenn Alkoholkonsum mehr in die Kritik geriete und sich nicht immer auf die «bösen illegalisierten Substanzen» versteift würde. Denn dort liegt nicht das größte Konsumproblem unserer Gesellschaft.

Du sagst in einer deiner Episoden, dass du keinen Safer Use vermitteln willst – jedenfalls nicht in erster Linie. Warum hast du dich dafür entschieden?

Mein Podcast wendet sich nicht nur an Konsumenten, sondern auch an Menschen, die z.B. in sozialen Einrichtungen arbeiten oder sich aus Interesse über Substanzen ordentlich und wertfrei informieren möchten. Diese möchte ich nicht mit langen Safer-Use-Ausführungen abschrecken. Auf meinem Instagram-Account gehe ich jedoch desöfteren auf das Thema ein und verlinke Safer-Use-Profile.

Was bedeutet für dich eigentlich «Legalisierung»? Und ist eine Gesellschaft ohne «Abhängigkeit» möglich oder wünschenswert?

Ich persönlich spreche mich für eine Legalisierung aller Substanzen aus. Nur wo es eine Legalisierung gibt, gibt es Regulationen, wie z.B. Jugendschutz. Aber auch die Möglichkeit frühzeitig über den eigenen Konsum zu reden, diesen mit anderen zu reflektieren, würde deutlich erleichtert werden, wenn die Stigmatisierung aufgrund der Prohibition viele Konsumenten nicht zu ängstlich stimmte, darüber zu reden.

Darüber hinaus erhoffe ich mir durch die Legalisierung auf internationaler Ebene den Rückgang der organisierten Kriminalität rund um die Substanzen. Ich habe ein Jahr in Kolumbien gelebt und musste mit eigenen Augen sehen, was Drogenkrieg in den Herstellungsländern verursacht. Ich finde, wir machen es uns ein wenig zu einfach, die steigenden Kokainzahlen zu begutachten und dabei nur an uns zu denken und nicht zu reflektieren, was das für die Länder bedeutet, die unter dem westlichen Drogenkonsum leiden. Mit möglichen Konzepten für eine Legalisierung habe ich mich bis jetzt noch nicht tiefer auseinandergesetzt, dies steht aber als Thema für 2021 auf meinem Sendeplan.

Eine Gesellschaft ohne Abhängigkeitserkrankungen oder auch andere psychische Erkrankung wäre sicher wünschenswert, doch derzeit sehe ich darin keine realistische Chance, da sich dafür grundlegend etwas in unserer schnelllebigen und fordernden Gesellschaft verändern müsste. Was ich jedoch als durchaus möglich erachte, ist, dass sich der starre Blick auf das Krankheitsbild der Abhängigkeitserkrankung – mit dem zwingenden Ziel der absoluten Abstinenz – auflockert. Ich setze da große Hoffnung in die neue ICD-11 und würde mir wünschen, dass sie sich ein Beispiel an der DSM-5 nimmt und die Substanzgebrauchsstörung aufgliedert in Leicht, Mittel und Schwer. Daraus ergäbe sich für mich nämlich die logische Konsequenz, dass das Hilfsangebot breiter aufgefächert würde und der Trend hoffentlich mehr in Richtung Aufklärung, Safer-Use und Aufbau von Konsumkompetenz ginge.

Du sprichst von «Stigmatisierung aufgrund der Prohibition». Kannst du noch weiter ausführen, wie sich die Prohibition auf deine Arbeit auswirkt?

Die Prohibition sorgt vor allem für fremdmotivierte Klienten. Auf der einen Seite lockt es Klienten in die Drogenberatung, bei denen ein Gerichtsverfahren aufgrund ihres Konsums oder möglichen Handels vor der Tür steht. Auf der anderen Seite werden Klienten direkt vom Gericht geschickt. Dies kann schon passieren, wenn die Konsumierenden mit geringen Mengen erwischt wurden oder aber auch als Bewährungsauflage oder ähnliches. Über diese Fremdmotivation lässt sich sicher streiten, doch ich hatte schon mehrere Klienten, die über die Verpflichtung hinaus mein Beratungsangebot weiter wahrgenommen haben und die Möglichkeit genutzt haben, ihren Konsum zu reflektieren. Andere wiederum hatten einfach keinen Bedarf, das ist bei einer Auflage von drei Gesprächen nicht so wild. Sind es aber deutlich mehr, muss man sich da was einfallen lassen.

Wie positionierst du dich in den Legalisierungsdebatten?

In meinem Podcast sehe ich mich als neutrale Berichterstatterin. In meiner Folge zur Legalisierungsdebatte habe ich extra noch mal Freunde über meine Notizen schauen lassen, weil ich nicht unterschwellig mit meiner eigenen Meinung manipulieren möchte.

Für mich ist die neutrale Informationsweitergabe das Wichtigste, und falls ich doch mal meine eigene Meinung sage, versuche ich stets darauf zu achten, diese auch als solche zu kennzeichnen. Mein Podcast hat das Ziel, dass meine Hörerinnen und Hörer sich ihre eigene informierte Meinung bilden können, – in einer Debatte, die oft so aufgeheizt und von verschiedenen Seiten beeinflusst ist, dass neutrale Berichtserstattung leider eine Rarität ist.

Hast du Kontakt zu Organisationen wie dem Schildower Kreis, LEAP oder dem Deutschen Hanfverband, die im Grunde dieselbe Meinung vertreten?

Direkten Kontakt mit den Organisationen habe ich nicht, jedoch mit einigen Mitgliedern. Die werden sich sicher auch dieses Jahr mal in meinem Podcast wiederfinden.

Allgemein werden illegalisierte psychotrope Substanzen – besonders von Menschen die bisher keinen bewussten Kontakt damit hatten – automatisch mit Negativem assoziiert. Hast du in deiner Arbeit und Ausbildung auch schon von Positivbeispielen gehört? Also Menschen, die den Konsum von illegalisierten Drogen gut in ihren Alltag integrieren können und dadurch eine Bereicherung erfahren, z.B. mit Entheogenen?

Das ist eine schwierige Frage, denn leider werden Drogenberatungen oft erst dann genutzt, wenn sich schon mehrere Probleme entwickelt haben und Menschen anfangen, unter ihrem Konsum zu leiden. Trotz allem versuche ich, mit meinen Klienten zu erarbeiten, aus den Erfahrungen ihres Konsums zu lernen. Wer zum Beispiel auf Kokain bei sich selbst Selbstbewusstsein erlebt hat und sonst vielleicht eher schüchtern ist, der hat sich selbst schon mal selbstbewusst erlebt. Das sind Erfahrungen, mit denen man in der Therapie bzw. Beratung großartig arbeiten kann.

Entheogene spielen in meiner Arbeit als Drogenberaterin eine sehr geringe Rolle, ich denke schon, das spricht für sich selbst. Zwar haben viele meiner Klienten, die schon Erfahrung mit mehreren Substanzen haben, auch psychedelische Substanzen probiert, jedoch hatte ich bis jetzt keinen Klienten, der deshalb bei mir Hilfe gesucht hat.

Wo wir gerade beim Thema Entheogene sind. Mit Ausnahme von MDMA (das noch am ehesten an Psychedelika angrenzt) hast du, soweit ich das beurteilen kann, noch nicht wirklich über psychedelische Substanzen gesprochen. Hast du da schon etwas in der Pipeline?

Ich möchte auf jeden Fall dieses Jahr mehr auf psychedelische Substanzen eingehen. Dadurch, dass ich mit Studium und Arbeit sehr viel zu tun habe, entstehen die Substanzepisoden willkürlich aus meinem beruflichen Kontext heraus.

Das ist zum Beispiel auch der Grund, warum es in einer meiner ersten Folgen um Benzodiazepine ging: Das war gerade Thema bei einem meiner Klienten, und weil ich mich tiefer in das Thema eingelesen hatte, habe ich auch gleich eine Podcastfolge daraus gebastelt.

Hast du eigene Drogenerfahrungen? Und wenn ja, fließen diese in die Arbeit als Drogenberaterin/Podcasterin ein? Wie gehst du mit dem Thema um?

Für die Beratung und für meinen Podcast finde ich Neutralität eine sehr wichtige Komponente. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, egal wie die Antwort auf diese Frage ausfällt, einem die Professionalität teilweise aberkannt wird. Das hilft weder meinen Klienten noch meinem Publikum und auch nicht mir.

Welche Medien (Podcasts, Bücher etc.) bezüglich Drogenaufklärung würdest du empfehlen? Und welche Bücher usw. haben dich thematisch besonders geprägt?

Das kommt sehr darauf an, wer mich fragt und welche Vorerfahrung er/sie hat. Ich finde «High Sein» ein schönes Einsteigerbuch, ein Rundumschlag mit viel Theorie, Substanzinfos, Safer Use, Erfahrungsberichten und toller Illustration. (Aber leider auch mit zahlreichen inhaltlichen Fehlern; Anm. der Red.)

Für die Legalisierungsdebatte finde ich «Koks am Kiosk» super, und natürlich empfehle ich jedes Jahr, mal in den Alternativen Drogen- und Suchtbericht zu schauen. Für Substanzinfos schlage ich selbst immer als erstes «DrogenMischKonsum» von Hans Cousto auf und seit Neustem nun auch «Psychoaktive Drogen» von Markus Berger, das schaut auf jeden Fall sehr vielversprechend aus. Und wenn es ein abstinenzorientiertes Buch zum Thema Abhänigkeitserkrankung sein soll, würde ich die «Suchtfibel» von Ralf Schneider empfehlen.

Wie ist die Resonanz des Publikums bisher? Und wie zufrieden bist du selbst?

Ich bin total glücklich, wie viele Menschen meinen Podcast hören. Das hätte ich niemals erwartet. Ich bekomme auch öfters Nachrichten auf Instagram, habe mit Hörerinnen und Hörern schon tolle Kontakte geknüpft und sehr liebes Feedback erhalten.

Wie sind deine Pläne für die Zukunft des Podcasts? Und möchtest du noch etwas loswerden?

Ich habe erst seit Kurzem ein zweites Mikrofon und freue mich, nächstes Jahr mehr Interviews zu machen. Da habe ich auch schon ein paar tolle Interviewgäste am Start, also lasst euch überraschen.

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Dirk Netter