Psychoaktive Bananen?!
»Bananadin« in den USA
Eine der interessanteren Legenden, die in der psychedelischen Ära entstand, hat mit den vermeintlichen halluzinogenen Eigenschaften von Bananen zu tun. Einer weitverbreiteten Geschichte zufolge soll es angeblich zu einem LSD-ähnlichen Drogenrausch führen, wenn Bananenschalen getrocknet, abgeschabt und geraucht werden. Wenn man Bananenschalen raucht, führt dies jedoch keinesfalls zu dem erwünschten Effekt. Die Vorstellung von psychedelischen Bananen wurde allerdings von der FDA (Food and Drug Administration; US-amerikanische Behörde für Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit) so ernst genommen, dass Wissenschaftler die Frucht mehr als drei Wochen lang testeten, um sicherzugehen, dass keine neue Drogengefahr inmitten der Supermärkte lauerte.
Der Mythos von der psychedelischen Banane entstand Anfang 1967 während einer Konzerttour von Country Joe and the Fish. Einer der Fische, der Schlagzeuger Gary „Chicken” Hirsh, behauptete, dass Bananen einen Drogenrausch auslösen könnten. Die Band beschloss, dies an jenem Abend bei einem Konzert in Vancouver auszuprobieren. Sie schabten Bananenschalen ab, backten sie und rollten dann daraus einen Joint, den sie vor dem letzten Set des Abends rauchten.
Dieses Set verwandelte sich in eine ausgedehnte Improvisation, eher typisch für The Grateful Dead als für Country Joe. Die Bandmitglieder führten ihre psychedelische Erhabenheit auf die Bananen zurück. In ihrem Enthusiasmus hatten sie allerdings den wahren Grund ihres Drogenrausches vergessen: Vor dem Konzert hatten sie Wasser getrunken, dem die Roadies LSD zugesetzt hatten.
Am nächsten Tag fuhr Country Joe wieder nach Berkeley zurück und brachte die Geschichte von den psychedelischen Bananen in Umlauf. Die Nachricht verbreitete sich so schnell, dass es in kürzester Zeit in den örtlichen Supermärkten keine Bananen mehr zu kaufen gab. Zeitungen in San Francisco berichteten darüber, und Nachrichtenagenturen verkündeten die Geschichte im ganzen Land: „Bananen stimulieren, neuester Hippie-Schrei” (San Francisco Chronicle, Februar 1967).
Ungefähr zur selben Zeit veröffentlichten Autoren des Berkeley Barb ein ausführliches Rezept für halluzinogene Bananen; das Rezept war eine Falschmeldung, zusammengebraut von skeptischen Barbsatirikern, aber viele Leser nahmen die Meldung ernst. Einer dieser leichtgläubigen Leser war William Powell, der das Rezept in seinem Anarchist Cookbook nachdruckte:
Man schabe 15 Pfund Bananen ab, mache einen Brei und verteile diesen Brei auf einem Backblech und trockne ihn ca. 20 bis 30 Minuten in einem Ofen.
Dies ergibt ein feines Pulver (Bananadin). Normalerweise spürt man den Effekt von Bananadine nach drei oder vier Zigaretten.
Die FDA beauftragte ein Laborteam damit, etwas „Bananadin” aufzubereiten und auf halluzinogene Eigenschaften zu testen.
Nach einem dreiwöchigen Test auf einer Rauchmaschine konnten die Wissenschaftler keinerlei psychedelische Wirkung feststellen: „Das Bureau of Science hat den Rauch von einigen Rezepten für getrocknete Bananenschalen und konzentrierten Bananensaft analysiert. Es wurden in diesen Materialien keine nachweisbaren Mengen von bekannten Halluzinogenen entdeckt” (FDA Pressemitteilung, Mai 1967).
Ein zufälliger Nutznießer des Bananenmythos war Donovan, der 1966, also schon vor Country Joes Offenbarung, das Lied „Mellow Yellow” aufgenommen hatte. „Mellow Yellow” verschmolz dennoch mit psychedelischen Bananen auf eine Weise, die beiden dazu verhalf, sich gegenseitig als Mem zu verstärken.
Hörer vermuteten, dass Donovans „elektrische Banane” sich auf das LSD-ähnliche Bananen-High bezog. Donovan begrüßte die Verbindung, obgleich er Jahre später zugab, dass er erst von den psychedelischen Bananen erfuhr, nachdem er „Mellow Yellow” geschrieben und aufgenommen hatte. „Elektrische Banane” bezieht sich in Wirklichkeit auf ein vibrierendes Sexspielzeug.
Wayne Glausser
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Dieser Text ist dem Buch LSD-Kulturgeschichte von A bis Z entnommen (Nachtschatten Verlag, 2018).