R.I.P. Christian Rätsch (Lucys Rausch 14)

R.I.P. Christian Rätsch (Lucys Rausch 14)

Markus Bergers Editorial

Das Jahr 2022 hat es in sich. Erst wächst sich die Ukraine-Krise zu einem verheerenden Krieg aus, der über das lokale Kriegsgeschehen hinaus globalen Schaden verursacht, dessen Ausmaß noch nicht abzusehen ist. Die daraus entstandene Mangelsituation belastet zahlreiche Menschen in allen Ländern – ob privat oder geschäftlich. Auch Verlagshäuser bleiben nicht von den Auswirkungen des Kriegs verschont: neben steigenden Energie-, Logistik- und Papierpreisen vor allem dadurch, dass die Menschen in diesen unsicheren Zeiten ihr Geld lieber für Heizmaterialien, Lebensmittel, Strom und Kraftstoff sparen und auf den Erwerb von Luxusartikeln verzichten. Und dazu gehören eben Bücher, Zeitschriften und andere Kulturgüter. Auch der Nachtschatten Verlag ist von dieser Entwicklung betroffen und wirtschaftet seit Monaten unterhalb der notwendigen Umsatzgrenze.

Für die vorliegende Nummer unseres Magazins hatten wir als Schwerpunktthema die psychotropen Pilze auserkoren. Dieses schöne Sujet wird nun allerdings von einem zutiefst traurigen und unfassbaren Ereignis überschattet, denn am 17. September ist unser Freund, Kollege und Hausautor Christian Rätsch unerwartet und viel zu früh am Aufbrechen eines unentdeckten und damit unbehandelten Magengeschwürs gestorben. Mit nur 65 Jahren – zwei Tage, nachdem er allein die Buchvernissage unseres gemeinsamen Werks Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen Band 2 in Solothurn hatte bestreiten müssen, weil ich reiseunfähig darniederlag. Zu einem gemeinsamen Anstoßen auf das Erscheinen unseres Opus kam es nicht mehr. Nicht nur aus diesem Grund ist Lucys Rausch Nr. 14 dem Leben und Wirken des großen Ethnopharmakologen gewidmet – mehr dazu im Nachruf auf unseren Weggefährten ab Seite 34. Ebenfalls verstorben, allerdings bereits im Juni, ist die US-Forscherin und Therapeutin Ann Shulgin, Lebens- und Forschungspartnerin von Alexander „Sasha“ Shulgin. Ann wurde 91 Jahre alt; unser Nachruf findet sich auf Seite 41.

Trotzdem gibt es auch erfreuliche Nachrichten im Zusammenhang mit unserer neuen Ausgabe. So freue ich mich, dass Merlin Sheldrake, Sohn des bekannten Kollegen Rupert Sheldrake, uns für ein Interview zum Thema Pilze zur Verfügung stand. Sein Buch Verwobenes Leben legt wissenschaftlich fundiert die lebensspendende Funktion der fungalen Organismen auf dem Planeten dar. Torsten Passie befasst sich in seinem Beitrag mit der Frage nach dem antidepressiven Potenzial des Pilzwirkstoffs Psilocybin, bei dem es sich übrigens um eine DMT-Form handelt (4-PO-DMT). Der US-amerikanische Autor David Jay Brown – ein Urgestein der psychedelischen Bewegung, der schon als junger Mann in engem Kontakt mit Timothy Leary stand – hat für diese Nummer einen Artikel beigesteuert, und zwar zur Phänomenologie der Begegnung mit „DMT-Wesenheiten“, also mit Lebensformen im geistigen Raum, mit denen man nach der Einnahme einer ausreichenden Menge von N,N-DMT in Kontakt und Austausch treten kann. David arbeitet zurzeit an einem Buch zu diesem Thema, das 2023 in den USA erscheinen wird.

Ich wünsche erhellende und gemütliche Stunden der angeregten Lektüre mit Lucys Rausch und einen angenehmen, psychoaktiven Winter und Jahreswechsel.

 

Markus Berger. Foto: Elfriede Liebenow