Spiritualität auf dem Dancefloor
Coustos Psychedlikatessen
Psychedelika wie LSD und Zauberpilze werden nicht nur aus hedonistischen Überlegungen eingenommen, sondern haben für viele Nutzerinnen und Nutzer dieser Substanzen auch einen spirituellen Aspekt. Für sie kommt die Einnahme von LSD und Zauberpilzen der Einnahme der Hostie beim heiligen Abendmahl gleich, es handelt sich somit um eine psychedelische Eucharistie respektive um ein psychedelisches heiliges Sakrament.
Für heilige Sakramente wurden in vielen Kulturen besondere Orte geschaffen, die geeignet waren, der spirituellen Komponente einen würdigen Rahmen zu geben. Eine Hochblüte des Schaffens solcher Orte entwickelte sich im christlichen Abendland im 12. und 13. Jahrhundert. In dieser Zeit entstanden die ersten gotischen Kathedralen, in denen alles, was zu den kirchlichen Gottesdiensten, Dingen und Schmuck gehört, voller göttlicher Zeichen und Geheimnisse ist. Die Kirchenbauten sollten wie der Kosmos eine vollkommene Einheit werden: schön, harmonisch und klar durch Licht, Geometrie, Proportionen, Material und Farbe.
Für die Proportionen orientierte man sich an den Zahlenverhältnissen der musikalischen Intervalle innerhalb einer oder mehrerer Oktaven. Als geometrische Grundlagen dienten zumeist regelmäßige Vielecke, insbesondere das regelmäßige Fünfeck respektive das Pentagramm, die beide für den goldenen Schnitt respektive die stetige Teilung stehen. Häufig wurde auch das regelmäßige Sechseck respektive das Hexagramm als zentrales Element im Bauplan integriert, und in versteckter Weise wurde auch der regelmäßige Siebenstern berücksichtigt.
Das Pentagramm und das Hexagramm sind gemäß Johannes Kepler „wissbar“, da sie mit Zirkel und Lineal exakt konstruiert werden können, der regelmäßige Siebenstern ist jedoch „nicht wissbar“, da er mit Zirkel und Lineal nicht exakt konstruiert werden kann und die Größe seiner Elemente (Längen und Winkel) nur annähernd (beliebig genau), jedoch geometrisch nicht ganz genau bestimmt werden können. Die musikalischen Proportionen und die regelmäßigen Vielecke bestimmen das Maßwerk der Kathedralen. Mit Maßwerk bezeichnet man in der Architektur die filigrane Arbeit von Steinmetzen zur Gliederung von Fenstern, Balustraden und geöffneten Wänden. Das Maßwerk ist ein Element der gotischen Architektur und eines der wichtigsten Merkmale der Hoch- und Spätgotik, wo es ein unabdingbarer Bestandteil der Fenster war. Als Fensterrose oder Rosenfenster wird in der Architektur ein kreisrundes verglastes Fenster mit Maßwerkfüllung bezeichnet. Die Fensterrosen sind die Mandalas der gotischen Kathedralen. Für einen guten Sound in den Kathedralen sorgten die Orgeln, wahre Meisterwerke des Instrumentenbaus.
So wie einst in der Zeit des Baus der großen Kathedralen, sind auch heute Maß und Zahl sowie Kunst und Zierde zentrale Elemente für die Gestaltung eines Dancefloors. Das Licht erreicht hier die feiernden Leute nicht durch von Rosenfenster in Farben erscheinendes Sonnenlicht, sondern wird mittels Projektoren und Laser erzeugt. Es bringt die aus Tüchern gestalteten „Decke“ des Dancefloors zum Leuchten, gleich eines sich wandelnden Mandalas. Für einen guten Sound sorgen zumeist elektronische Musikinstrumente, fette Verstärker und große Lautsprecher. Es sind ganz andere Elemente als zur Zeit der Gotik, doch der Zweck ist derselbe: ein Ambiente schaffen, das für die spirituelle Entfaltung ein geeignetes Setting darstellt. Man kann im wahrsten Sinne des Wortes von Tanztempeln sprechen. Diese Tanztempel sind ebenso geeignet, um tanzend die göttliche Offenbarung in sich zu erkennen und zu erleben wie in gotischen Kathedralen bei Gebet und Gesang.