Synthetische Cannabinoide in Hasch & Co.

Haschisch (NY Diesel) | CC-BY-NC-SA Dirk Netter

Synthetische Cannabinoide in Hasch & Co.

Immer mehr gestrecktes Gras im Umlauf

«You know the dealer, the dealer is a man
With the love grass in his hand
Ah but the pusher is a monster
Good god he’s not an actual man
The dealer, for a nickel lord
He’ll sell you lots of sweet dreams
Ah but the pusher’ll ruin your body
Lord he’ll leave… he’ll leave your mind to scream»
– Steppenwolf «The Pusher» (1967)

Minderwertiges oder gar gestreckte Cannabisprodukte sind leider keine Neuheit auf den Drogenmärkten dieser Welt. Ob willentlich oder bedingt durch die Produktions- und Lieferkette, findet sich in europäischer Rauschware so manche Substanz, die in einem hochwertigen Produkt nichts zu suchen hat.

Während es in den vergangenen Jahren besonders «Brix» und Blei waren, die es in die Schlagzeilen geschafft haben, sind es nun die aus Spice und Co. bekannten synthetischen Cannabinoide.

Spätestens seit einer Dokumentation von VICE («Giftiges “Chemie-Gras” überschwemmt Deutschland»), die Anfang des Jahres veröffentlicht wurde, schlägt das Thema in den sozialen Medien nun große Wellen.

Immer wieder synthetische Cannabinoide in Straßengras

Während viele diese Meldungen als Medienhype ansehen, liefern die Ergebnisse zahlreicher Drug-Checking-Initiativen und Labore sehr klare Beweise, dass typisches Straßen-Cannabis immer mehr mit synthetischen Cannabinoiden versetzt wird.

Portale wie «dirty-weed.com/» und «graspreis.de» liefern zusätzlich massig anekdotische Berichte über solche Cannabis-Verschnitte (siehe auch: drugcheck.raveitsafe.ch unter «Research Chemicals»). Zwar verfügen die wenigsten Konsumierenden über die technischen Mittel und das Knowhow, eine professionelle Analyse durchzuführen, doch liefern sie ein ersten Eindruck über die derzeitige Lage. Dazu kommen Laien-Testergebnisse, die mittels Reagenztests (wie bspw. dem EZ Test) gewonnen wurden und der Redaktion vorliegen.

Dies sind alarmierende Ergebnisse, da reines Cannabis als relativ harmlose Substanz angesehen werden kann – einige synthetische Cannabinoide dagegen stehen im starken Verdacht, schwerwiegende Nebenwirkungen (einschließlich von Todesfällen) zu verursachen (siehe: Gatch und Forster 2019; Giorgetti u. a. 2020; Kevin u. a. 2019).

Mangel an Drug-Checking in der BRD

Bedenkt man diese Fakten, ist es absolut fahrlässig, dass Drug-Checking-Angebote in Deutschland einem generellen Verbot unterliegen. Eine Änderung dieser beinahe mittelalterlichen Verhältnisse, die in Fachkreisen schon seit Jahrzehnten gefordert wird, wurde zwar Anfang 2020 von der Drogenbeauftragten angekündigt, aber dann bis dato doch verschleppt. Ehrliches Interesse oder gar Anteilnahme am Leid der Betroffenen sieht anders aus. In der FDP-Fraktion (den sog. «Liberalen»), gilt Drug-Checking gar als «Förderprogramm für kriminelle Clans und deren Dealer».

Während es sich bei den getesteten Proben häufig um (minderwertiges) Cannabis bzw. um handelsübliche CBD-Blüten handelt, die mit synthetischen Cannabinoiden versetzt wurden, ist auch Haschisch von der Betrügerei betroffen.

«Fake-Haschisch» ist eine Goldgrube

Sogenanntes «Fake-Haschisch», ein Produkt dass völlig legal und ohne Verwendung der Hanfplanze produziert wird, kann für einen Kilopreis von 150-200 US-Dollar (123-165 €) erworben werden – in manchen Shops kann die Beigabe von synthethischen Cannabinoiden gleich bei der Bestellung ausgewählt werden (in einer Kiloplatte befinden sich dann ca. 70 g der vollsynthetischen Reinsubstanz).

Diese Chemikalien (auch Research Chemicals oder «RCs») können über diverse Darknet-Märkte bezogen werden. Die Hersteller befinden sich dabei in aller Regel in der Volksrepublik China, die ihre Produkte per Post in alle Welt versenden.

Beliebt sind dabei seit einigen Jahren AM-2201, JWH-307, JWH-122, JWH-018 sowie HU-210. Neuerdings wird auch 5F-MDMB-PICA immer häufiger in Laboranalysen festgestellt (darüber hinaus existieren etliche weitere Cannabinoid-RCs). Der Kilopreis von 5F-MDMB-PICA liegt derzeit beispielsweise bei ungefähr 1900 US-Dollar (1566 €) respektive einem Grammpreis von 1,9 US-Dollar (1,56 €).

Ein Kilo voll wirksames «Fake-Haschisch» kann also für ca. 300 € hergestellt werden. Der Einkaufspreis für echtes Haschisch auf dem Schwarzmarkt beträgt in Zentraleuropa etwa 3000-3700 €/kg (vgl. UNODC & Darknet-Market-Recherche). Konsumierende bezahlen je nach Region und Versorgung zwischen 8 und 15 € pro Gramm.

Vergleicht man die Differenz zwischen Herstellungspreis von «Fake» und dem letztendlichen Straßenpreis wird die extreme Gewinnspanne deutlich, und damit die Motivation der Dealer.

Die traurige Wahrheit dieser Zahlen: Für den Schwarzmarkt lohnt es sich immens, Verschnitte von Cannabisprodukten herzustellen. Wer keine Möglichkeit hat, Cannabis auf legalem Wege oder per Eigenanbau zu beziehen, bleibt in Gefahr, ungewollt diesen Substanzen zum Opfer zu fallen.

Nur die Beendigung der Prohibition wird diesem Treiben ein Ende setzen können.

 

Literatur:

Gatch, M. B., & Forster, M. J. (2019). Cannabinoid-like Effects of Five Novel Carboxamide Synthetic Cannabinoids. Neurotoxicology, 70, 72–79. https://doi.org/10.1016/j.neuro.2018.11.004

Giorgetti, A., Busardò, F. P., Tittarelli, R., Auwärter, V., & Giorgetti, R. (2020). Post-Mortem Toxicology: A Systematic Review of Death Cases Involving Synthetic Cannabinoid Receptor Agonists. Frontiers in Psychiatry, 11. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2020.00464

Kevin, R. C., Kovach, A. L., Lefever, T. W., Gamage, T. F., Wiley, J. L., McGregor, I. S., & Thomas, B. F. (2019). Toxic by design? Formation of thermal degradants and cyanide from carboxamide-type synthetic cannabinoids CUMYL-PICA, 5F-CUMYL-PICA, AMB-FUBINACA, MDMB-FUBINACA, NNEI, and MN-18 during exposure to high temperatures. Forensic toxicology, 37(1), 17–26. https://doi.org/10.1007/s11419-018-0430-0

 

Dirk Netter