Tom Wolfes Electric Kool-Aid Acid Test
Merry Pranksters und LSD
Text: Wayne Glausser
Tom Wolfe, ein Vertreter des literarischen Journalismus, veröffentlichte 1968 mit dem Buch Electric Kool-Aid Acid Test einen ausführlichen Bericht über Ken Kesey und die Merry Pranksters. Als Quellen dienten Wolfe ausführliche Interviews mit den Beteiligten. Sein Buch war ein Versuch, die psychedelische Erfahrung aus der Sicht eines Insiders zu beschreiben.
The Electric Kool-Aid Acid Test wurde ein Bestseller und machte ein breites Lesepublikum mit der Story der Pranksters bekannt. Wolfe schloss sich den Pranksters relativ spät und als klarer Außenseiter an. Am Anfang des Buches machte Wolfe sich über sich selbst als Außenseiter lustig. Als Black Maria, eine der Prankster-Frauen, zu ihm sagte: „Du machst’n viel zu gesetzten Eindruck für’n Fisch”, überlegte er: „Ich versteh’ schon, was sie meint: In ihren Augen gehöre ich nicht unbedingt hierher – man sieht mir meine mangelnde Distanzlosigkeit an – und ich fange schon selbst an zu merken, dass ich hier nicht dazugehöre. Drüben in New York, meine liebe Maria, ehrlich, da hält man mich für ganz cool, für einen Dandy. Aber hier in der Welt der Heads von San Francisco scheint man wegen eines blauen Blazers, einer überbreiten Krawatte voller Clowns und eines Paars … schwarzer … glänzender … Halbschuhe nicht gleich Beethovens Neunte anzustimmen.”
Eine weitere Prankster-Frau, Doris Delay, drängte ihn: „Ich sollte doch etwas mehr … na ja, Farbe in mein Erscheinungsbild bringen.”
Später, als Wolfe Kesey darauf hinwies, dass die Acid-Tests an das, was Andy Warhol machte, erinnerten, wies Kesey ihn sanft zurecht: „,Ich will euch ja nicht zu nahe treten’, sagte Kesey, ,aber New York ist mindestens zwei Jahre hinterdran.’”
Wolfe gab sein Bestes, es der California-Avantgarde gleichzutun. In seiner „Anmerkung des Autors” am Ende des Buches schrieb er: „Ich habe nicht nur den Versuch unternommen zu erzählen, was die Pranksters gemacht haben, sondern auch die geistige Atmosphäre bzw. die subjektive Realität des ganzen Abenteuers wieder auferstehen zu lassen. Ich glaube nicht, dass ihr Abenteuer sonst zu verstehen wäre.”
Um die „subjektive Realität” des Bewusstseins auf einem Acid-Trip zu vermitteln, verwendete Wolfe eine Reihe exzentrischer Stilmittel. Er stützt sich stark auf surrealistische Metaphern: z. B. „Und rrrrrrrraauuusch! Kommen diese fantastischen Neonbläschen aus dem Herzen geschossen, graben sich tief in den menschlichen Matsch und explodieren zu – Schädel-Spiegeln!”
Mit anderen stilistischen Tricks versucht Wolfe, die temporalen und räumlichen Verzerrungen nachzuahmen, die oft in der Acid-Wahrnehmung auftreten. Gelegentlich zieht er Wörter lang (rrrrrrrraauuusch), und häufig dehnt er Sätze weit über normale Erwartungen hinsichtlich der Länge aus. Solche Verzerrungen werden durch unterschiedliche exzentrische Zeichensetzung gesteigert.
Wolfe packt seine Prosa voll mit Gedankenstrichen und Ellipsen, um kleine Flicken der Wahrnehmung zusammenzuheften. Ellipsen deuten eine Art Abgrenzung an, aber sie führen den Satz fort; sie deuten auf Abschluss hin, aber widerstehen ihm. Er erfindet ein neues Satzzeichen, den mehrfachen Doppelpunkt (der allerdings in der deutschen Fassung nicht wiedergegeben wurde):
„Oh ja, Major, freilich war’s die Droge, verstehste – und trotzdem – er ging so völlig auf in der Essenz des Augenblicks da draußen [:::::] er hatte die Macht, und er hörte den Ruf; dieser Film ist groß genug, um die ganze Welt einzubeziehen, eine Besetzung von Millionen, die ausgestoßenen Milliarden gar … Kontrollturm an Orbiter Eins KONTROLLE.‟
Der mehrfache Doppelpunkt unterbricht den Fluss der Syntax, als ob er signalisieren wollte, dass hier etwas unaussprechlich Wichtiges passiere, etwas, das nicht mit bloßen Worten vermittelt werden könne. Zur Hervorhebung benutzt er hier, wie auch anderswo, Großbuchstaben nebst einer ungewöhnlichen Dichte an Kursivbuchstaben und Ausrufezeichen. All diese Ausdrucksmittel hellen gewöhnliche Worte auf und verfremden sie, genauso wie LSD gewöhnliche Objekte aufhellt und verfremdet.
Wenn Wolfes Stil auch angemessen scheint, psychedelische Wahrnehmung nachzuahmen, so bediente er sich dieses Stils bis zu einem gewissen Grad schon vor seinem Interesse an LSD. Viele der Stilmittel, die er für die Acid-Prosa benutzte, erscheinen in den zwei Büchern, die er vor Electric Kool-Aid geschrieben hatte: lange Sätze, Ellipsen statt traditioneller Satzenden, überall kursiv geschriebene Wörter und Ausrufezeichen, sogar Momente exotischer Zeichensetzung.
Die Acid-Prosa von Electric Kool-Aid adaptiert einen Stil, den Wolfe erfand, um eine Reihe kultureller Themen aufzupeppen. Als Wolfe seine Aufmerksamkeit den Pranksters zuwandte, fand ein Schreibstil LSD, ebenso wie LSD einen Schreibstil fand.
Dieser Text ist dem Buch LSD-Kulturgeschichte von A bis Z entnommen (Nachtschatten Verlag, 2018).





