Wer waren die Merry Pranksters?

Logo des Acid Tests am 27. November 1965 von Ken Kesey, aus dem National Museum of American History.

Wer waren die Merry Pranksters?

USA: Ken Kesey und der Acid Test

Text: Wayne Glausser

Die Merry Pranksters (dt. Die lustigen Schelme) war eine Gruppe von LSD-Abenteurern, die einen wesentlichen Einfluss auf die psychedelische Kultur und die Entstehung der Hippie-Bewegung hatte. Zur selben Zeit als Timothy Leary und seine Freunde in seinem Anwesen in Millbrook, New York, mit LSD experimentierten, gründeten die Merry Pranksters ihre eigene psychedelische Gemeinschaft auf der anderen Seite des Landes.

Die kalifornischen Pranksters hatten einen vollkommen anderen Lebensstil als die New Yorker „Learyiten“. Leary legte Wert auf Sicherheit, fachkundige Führung und Verbindungen zu traditioneller spiritueller Weisheit; die Pranksters schätzten Spontaneität, gingen spielerische Risiken ein und provozierten Auseinandersetzungen mit der Mainstream-Gesellschaft. Als das Westküsten-Pendant zu Learys-Ostküsten-Avantgarde hatten die Pranksters einen ebenso großen und komplementären Einfluss auf die Entwicklung der psychedelischen Kultur wie Leary. Der Bericht des Bestsellerautors Tom Wolfe trug dazu bei, sie der breiten Öffentlichkeit vorzustellen.

Die Kerngruppe der Pranksters bildeten Ken Kesey und einige Freunde, die seinen Enthusiasmus für LSD und die damit zusammenhängenden sozialen Experimente teilten. Kesey nahm zum ersten Mal LSD, als er sich als Versuchsperson für die von der CIA und dem Militär unterstützten klinischen Versuche im Menlo-Park-Krankenhaus meldete. Er verbreitete die Nachricht über die außergewöhnlichen Wirkungen der Droge und weckte das Interesse seiner Künstlerfreunde in Palo Alto und in der Bay Area.

Da Keseys erster Roman One Flew over the Cuckoo’s Nest (dt. Einer flog über das Kuckucksnest) ihm gute Kritiken und viel Geld eingebracht hatte, konnte er sich ein Haus in La Honda, Kalifornien, kaufen, das sich zum Leben in der Kommune eignete. Dort schloss sich ihm u. a. Neal Cassady an, dessen beachtlicher Ruhm in der Beatszene begründet war: Er was das Modell für die Figur Dean Moriarty in Jack Kerouacs On the Road (dt. Unterwegs).

Im Frühling 1964 beschlossen die Pranksters, ihren eigenen Roadtrip zu machen. Sie kauften einen alten Schulbus, bemalten ihn mit DayGlo-Farben und rüsteten ihn mit einer Musik- und Lautsprecheranlage aus, damit sie sowohl die sie umgebende Geräuschkulisse verstärken, als auch ihre Musik und Botschaften mit der Welt außerhalb des Busses teilen konnten. Sie malten hinten auf den Bus eine spöttische Warnung – „VORSICHT: IRRE LADUNG“ – und vorne gaben sie als ihr Ziel „FURTHUR“ (eine Wortbildung aus Zukunft und Weiter) an.

Cassady fuhr die meiste Zeit. Er war bekanntermaßen ein geschickter Fahrer, sogar in verändertem Bewusstseinszustand; er war auch ein einfallsreicher, wenn auch sehr ausschweifender Schwätzer und konnte sich aus etlichen prekären Situationen mit der Polizei herausreden. Wolfe führt ein frühes Beispiel an: Als ein Polizist sie anhielt und die kaputte Handbremse entdeckte, erklärte Cassady: „Klar doch, Sir, das hier ist eine nagelneue doppelventilige Hammond-Ratschenbremse, verstehen Sie, Sir, hab ich mir neulich beim Truck-Rodeo oben in Springfield, Oregon, einbauen lassen, musste da im Rückwärtsgang eine Slalomstrecke aus Nuckelflaschen und gelben Windeln durchfahren, Sir, ich kann Ihnen sagen, absolut existentieller Scheitelpunkt auf dem Gipfel, dieses Oregon“, und so weiter. Der Polizist hörte eine Weile zu und entschied sich dann, seine Befragung aufzugeben.

Das angebliche Ziel der Bustour war die Weltausstellung in New York, aber der wahre Grund war, dem Mainstream-Amerika einige psychedelische Eskapaden aufzudrängen. In Phoenix fuhren die Merry Pranksters beispielsweise mit einem Transparent, scheinbar zur Unterstützung des Präsidentschaftskandidaten Barry Goldwater, die Straßen auf und ab: „Eine Stimme für Barry ist eine Stimme für den Spaß!“ Ein anderes Mal parkten sie den Bus an einem Strand in Louisiana, der nur für Afro-Amerikaner reserviert gewesen war, und improvisierten eine laute psychedelische Party, bis die Polizei die Party auflöste.

Im ganzen Land nahmen sie Acid und filmten ihre Abenteuer. Einige Acid-Trips hatten unliebsame Wirkungen: Eine Frau verließ den Bus, nachdem sie Wahnvorstellungen über ihren verlorenen Sohn hatte, und ein weiterer Prankster wurde nach einem Horrortrip paranoid. Etliche Pranksters begannen, sich zu beschweren, weil Kesey zu viel Kontrolle über die Bustour ausüben wollte. Dennoch siegte letztendlich der Gemeinschaftssinn und ihr Lieblingsslogan war praktisch ein Loyalitätstest der Pranksters: „Your either on the bus, or you’re off the bus.“ („Entweder, du bist im Bus oder nicht.“)

Sie schafften es bis nach New York, wo sie Leary in Millbrook besuchten. Das Treffen der östlichen und westlichen LSD-Kolonien verlief nicht sonderlich gut. Leary war unpässlich und ging seinen Besuchern aus dem Weg; andere Millbrook-Bewohner fanden die Pranksters lästig. Die Pranksters hatten bald genug von der ihrer Meinung nach verklemmten Millbrook-Szene: Wie Wolfe bemerkte, nannte Ken Babbs deren Meditationsräume „Krypta-Trips“.

Als der Bus am Ende wieder in La Honda ankam, experimentierten die Pranksters mit größeren psychedelischen Partys – und das, obwohl die Polizei inzwischen auf ihr Tun aufmerksam geworden war. Die Pranksters fingen an, mit gemischten Gruppen, die merkwürdige psychedelische Partner zu sein schienen, zu experimentieren. Einmal besuchten sie alle eine Konferenz der Unitarier, wo ihre Verspieltheit die älteren Mitglieder verärgerte, aber einige jüngere neugierig machte. Ein anderes Mal lud Kesey die berüchtigten Hell’s Angels auf eine Party nach La Honda ein.

Hunter S. Thompson, der die Party als Teil seiner Forschungen über die Hell’s Angels besuchte, bemerkte: „Entgegen aller Erwartungen wurden die meisten Angels auf Acid seltsam friedlich.” Thompson beschrieb die La-Honda-Mischung aus Pranksters und Angels als seine liebste psychedelische Erfahrung, „komplett mit den ganzen irren Lichtern, den Polizisten auf der Straße, einer vage im Wald erkennbaren Ron-Boise-Skulptur und aus den riesigen Lautsprechen dröhnt Dylans Mr. Tambourine Man”.

Irgendwann kam Kesey auf die Idee, öffentliche Partys abzuhalten, zu denen jeder kommen konnte, der am psychedelischen Geist der Pranksters Anteil haben wollte. Diese „Acid-Tests” wurden ungefähr ein Dutzend Mal an unterschiedlichen Orten abgehalten. Die Pranksters kündigten sie auf kryptischen Postern an, auf denen die Frage stand, „Bestehst du den Acid-Test?”

Diejenigen, die sich entschlossen hatten hinzugehen, fanden sich inmitten einer chaotischen Veranstaltung wieder, mehr oder weniger eine Mischung aus Konzert und Karneval. Normalerweise spielten die Grateful Dead als die inoffizielle Hausband auf den Acid-Tests, begleitet von Lightshows und Filmen. Die Anwesenden wurden dazu ermuntert, Kostüme zu tragen, zu tanzen und sich mithilfe der vorhandenen Soundanlage frei auszudrücken. Es gab mehr als genug LSD.

Wolfe beschrieb einen Acid-Test, bei dem die Droge in einer großen Tonne mit Kool-Aid gemischt worden war: manche, die daraus tranken, wussten nichts von dem besonderen Zusatz. Im Januar 1966 organisierte der Prankster Stewart Brand einen Acid-Test in viel größerem Maßstab, das sogenannte „Trips-Festival”, das die breitere Hippie-Bewegung ins Leben rief, die im „Summer of Love” ihren Höhepunkt erreichte.

Nachdem Kesey wegen Marihuanabesitzes verhaftet worden (und nach Mexiko geflohen) war, blieben die Pranksters unter der Führung von Ken Babbs und Wavy Gravy zusammen. Als Kesey wieder zurückkam, sagte er den Pranksters, dass es an der Zeit sei, Acid hinter sich zu lassen: Die psychedelische Evolution sollte nun auch ohne die Droge erreichbar sein.

Er organisierte ein letztes Event, die Acid-Test-Reifeprüfung, um die neue Ära einzuläuten. Jedoch kamen nur wenige der Pranksters – viele von ihnen, darunter auch Owsley, waren nicht der gleichen Meinung, was LSD betrifft – und der Event galt allgemein als Flop. Kurz darauf starb Neal Cassady allem Anschein nach an einer Überdosis Drogen in Mexiko. Kesey saß seine Gefängnisstrafe ab und zog dann nach Oregon zurück, um seine Karriere als Schriftsteller wieder aufzunehmen.

Andere Pranksters machten interessante Karrieren, die ihre jugendlichen Abenteuer anklingen ließen. Stewart Brand gründete den Whole Earth Catalog und hatte maßgeblichen Einfluss auf die Umweltschutzbewegung. Wavy Gravy gründete die Hog Farm Kommune (Schweinefarmkommune), die u.a. für die Sicherheit in Woodstock zuständig war, und gründete ein Camp für unterpriviligierte Kinder.

Die Grateful Dead spielten bis in die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts ihre psychedelische Musik, und da ihre Konzerte sowohl alte als auch neue Hippies anlockten, wurden sie populärer als je zuvor. Ein früher Song der Grateful Dead, „That’s It for the Other One”, setzt den Pranksters ein Denkmal – besonders Neal Cassady, der ein guter Freund war und als Inspiration für die noch in den Kinderschuhen steckende Band diente.

Dieser Text ist dem Buch LSD-Kulturgeschichte von A bis Z entnommen (Nachtschatten Verlag, 2018).