Psilocybin desynchronisiert das menschliche Gehirn
Neue Studie publiziert
Psilocybin setzt ganze Netzwerke von Neuronen im Gehirn temporär zurück, die für die Kontrolle des Zeit- und Selbstbewusstseins einer Person verantwortlich sind. Dies geht aus einer Mitte Juli publizierten Untersuchung hervor, in deren Rahmen die Gehirne von sieben Freiwilligen vor, während und nach der Einnahme einer hohen Dosis des Psychedelikums wiederholt bildgebungstechnisch (per funktioneller Magnetresonanztomographie) untersucht wurden. Dabei dokumentierten die Wissenschaftler „massive Veränderungen, die durch Psilocybin ausgelöst wurden“, und zwar dergestalt, dass die Muster der Gehirnnetzwerke einiger Probanden denen einer anderen Person ähnelten, erklärte Shan Siddiqi, psychiatrischer Neurowissenschaftler an der Harvard School of Medicine in Boston, Massachusetts. Er habe noch nie einen so starken Effekt gesehen.
Die meisten dieser substanzbedingten Modifikationen klangen nach einigen Stunden ab, während eine wichtige Verbindung zwischen verschiedenen Gehirnregionen über mehrere Wochen gestört blieb. Die Rede ist vom Default Mode Network (DMN), einer Gehirnregion, die normalerweise während wacher Ruhephasen aktiv ist, und vom anterioren Hippocampus, der mit für unser Raum-, Zeit- und Selbstempfindens verantwortlich ist. Die durch den Pilzwirkstoff herbeigeführten Veränderungen stören die Interaktion zwischen diesen beiden Hirnregionen, was dazu führt, dass Gruppen von Neuronen, die gewöhnlich gemeinsam feuern, desynchronisiert werden.
Durch das in psychedelischen Kreisen praktizierte Grounding (dt. Erdung), bei dem der direkte Körperkontakt mit der Erde gesucht wird (z.B. Barfuß laufen, Hautkontakt mit dem Erdboden etc.), können dysphorische Effekte des Pilzwirkstoffs abgemildert werden. Es sei nach den Erkenntnissen der Studie möglich, dass ein spezielles neurologisches Signal durch diese Erdungsübungen beeinflusst werden kann.
Die in der Studie erhobenen Daten konnten allerdings nicht erhellen, was genau die Ursache für den potenziellen therapeutischen Nutzen von Psilocybin ist. So sei es möglich, dass das Tryptamin die Veränderungen im Gehirnnetzwerk direkt physiologisch auslöst, oder aber, dass die psychedelische Erfahrung die Veränderungen im Hirn bewirkt.
Siegel, J.S., Subramanian, S., Perry, D. et al. (2024), Psilocybin desynchronizes the human brain, Nature, https://doi.org/10.1038/s41586-024-07624-5